Mit dem Meldeportal „Neutralität an Schulen“ (seit längerem offline) gelang der AfD 2018 ein Coup, der bundesweit für Aufsehen sorgte. Obwohl die AfD ein falsches Verständnis von politischer Bildung an Schulen vertrat, gingen ihr verschiedene Medien auf den Leim und berichteten über angebliche Verstöße bei Schulveranstaltungen, aber auch im Unterricht, unter denen die AfD zu leiden habe (ein Artikel dazu findet sich hier). Nach der Bürgerschaftswahl 2020 wurde dieses Thema von der AfD etwas zurückgestellt, wohl auch aufgrund der beginnenden Corona-Pandemie. Während dieser vertrat die AfD zunächst eine skeptische bis leugnende Haltung. Nach der Pandemie dominierten wieder migrationskritische („Überfremdung“) und queerfeindliche Themen. Federführend war und ist dabei der bildungspolitische Sprecher der AfD-Bürgerschaftsfraktion, Alexander Wolf, dem AfD Watch Hamburg 2020 einen eigenen Artikel widmete.
Corona-kritische Haltung statt Gesundheitsschutz an Schulen
Die AfD reihte sich während der Pandemie in das Feld der Skeptiker bis Leugner ein. In der Schulpolitik vertrat sie maßnahmenkritische Positionen und forderte während der langen Isolationsphase mit Fernunterricht für die Schüler*innen eine Rückkehr zum Präsenzunterricht. Als Begründung führte sie hierbei an, die Kinder würden zu Hause lediglich „stundenlang am Computer“ spielen (16.12.2020). Anstelle von Schutzmaßnahmen forderte die AfD ein Ende der Masken- und Testpflicht, weil diese „unverhältnismäßig“ sei bzw. die Schüler*innen „drangsaliere“ (16.12.20, 11.8.2021, 16.2.2022). Als die Schulbehörde im Mai 2022 Lockerungen beschloss, forderte die AfD, dass auch die Testpflicht für ungeimpfte Schüler*innen fallen müsse (4.5.2022). Als diese Testpflicht kurz darauf aufgehoben wurde, war dies für die AfD eine „Rückkehr zu Vernunft und Freiheit“ (9.5.2022). Auch wenn gerade im Nachhinein der vorsichtige Kurs in der Schulpolitik in Hamburg und anderen Bundesländern kritisch bewertet werden kann, fiel die AfD Hamburg während der Pandemie nachhaltig als Gegnerin gesundheitsschützender Maßnahmen auf. Vor dem Hintergrund mehrerer Corona-skeptischer bis -leugnender Aktivitäten in Hamburg, unter anderem die Unterstützung der auch von Rechten aller Couleur begleiteten Kunsthallen- und Rathausdemonstrationen, verwundert dieses Verhalten nur wenig.
„Deutsche Leitkultur durchsetzen an Kitas und Schulen!“
Die AfD stimmte angesichts der immer schlechter werdenden PISA-Ergebnisse einen „Abgesang auf die einstige Bildungsnation“ an (5.12.2023). Die Ursache ist für sie schnell ausgemacht: Die „Masseneinwanderung“ bringe die Schulen an ihre „Belastungsgrenze“ (22.8.2023). Dieser Zusammenhang ist jedoch nachweislich falsch, wie ein Blick in die empirische Bildungsforschung und das vergleichende Testwesen zeigt: So hatte Hamburg im Jahr 2022 einen Migrationsanteil von 53% unter den Schüler*innen der 1. bis 10. Klasse, was im Bundesländervergleich einen der vordersten Plätze bedeutet. Gleichzeitig verbesserten sich auch die Schulleistungen, wie sie in Vergleichstests wie dem IQB-Bildungstrend alle paar Jahre erhoben werden, im Vergleich zu den anderen Bundesländern kontinuierlich. So konnten sich Hamburger Schulen z.B. im Ranking „Deutsch Zuhören“ von Platz 13 (2009) auf Platz 3 (2022) verbessern. Hamburg hat damit bewiesen, dass Integration an Schulen gelingen kann. Die AfD verschweigt diese Fakten konsequent, weil sie nicht in ihr Weltbild passen, und erzählt gerne ihr Märchen, dass Migrant*innen an allem schuld seien.
Im Jahr 2023 wurde eine Statistik veröffentlicht, nach der jede bzw. jeder dritte Hamburger Schüler*in zu Hause kein Deutsch spricht. Dass die „deutsche Sprache“ auf dem „Rückzug“ sei, ist eine von der AfD oft beklagte Entwicklung, die Alexander Wolf zudem ungeniert und in Anlehnung an Heine an das „rot-grüne Deutschland in der Nacht“ denken lässt (2.12.2021).
In seiner „deutschen Sorge“ vor einer „Verdrängung“ der deutschen Sprache zeigt sich sein „quasi-religiöser Glaube an Volk, Nation, Vaterland“ (Jaschke, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, 1994, S. 54) und damit ein Weltbild, in dem eine vermeintlich „deutsche Kultur und Bildung“, die unbegründet als irgendwie überlegen gesetzt wird, durch andere Einflüsse bedroht wird. Dieser Größen- und Verfolgungswahn (so der psychologische Ansatz zur Erklärung des Faschismus nach Kurt Lenk in Anlehnung an Theodor Adornos Studien zum autoritären Charakter) zieht sich durch die Aussagen Wolfs, der nicht müde wird, die Bedeutung seiner Deutschtümelei zu betonen. „Unsere deutsche Leitkultur muss gelebt und durchgesetzt werden“, begründete die Hamburger AfD am 22.1.2022 einen Antrag zum Kopftuchverbot in Kitas und Schulen. „Man sei von der Grandesse der eigenen Person und des eigenen Volks überzeugt, wähne sich gleichzeitig aber unterdrückt und ausgenutzt von fremden, feindlichen Mächten“, beschreibt der Rechtsextremismusforscher Schulze diese AfD-typische Haltung (Schulze: Rechtsextremismus, 2022, S. 209).
Auch wenn die Hamburger AfD eine bürgerliche Fassade wahren will, besteht ihr ideologischer Kern aus Ungleichheits- und Autoritarismusvorstellungen, die „von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenisierung von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot ablehnen“ (Jaschke, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, 1994, S. 30) – wir hören völkisch-rassistisches Wolf-Geheul im Schafspelz.
„Korrektes Deutsch statt Gendergaga an den Schulen!“
Die Volksinitiative „Schluss mit der Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, die u.a. den Verzicht auf geschlechtergerechte Ansprache in Schulen fordert, wurde frühzeitig von der AfD unterstützt. Stattdessen wird „korrektes Deutsch statt Gendergaga“ gefordert (23.1.2023, 1.12.2023). Diese Initiative war nach dem Meldeportal erneut ein Aufhänger auch für andere AfD-Landesverbände und weitere Aktivist*innen in anderen Bundesländern, ähnliche Petitionen auf den Weg zu bringen. Zwar zog sich die Sprecherin der Volksinitiative, Sabine Mertens, im August 2023 von ihrer Initiative zurück und begründete dies mit Angriffen auf ihre Person, jedoch war sie selbst nicht zimperlich in der Diffamierung und Diskreditierung von Menschen, die nicht ihrem Normverständnis entsprachen. So ist von ihr der Satz überliefert, dass „Männer und Frauen sich normalerweise zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen“ und wenn „jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden“ sollten, dann sei „die Evolution zu Ende“. Dem ist entgegenzuhalten, dass jeder Mensch das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. Dennoch sind bis Juli 2023 genügend Unterschriften gesammelt worden, so dass der Weg für ein Volksbegehren frei ist.
In die gleiche queerfeindliche Kerbe schlug die AfD, als sie das Zentrum Gender & Diversity (ZGD), eine gemeinsame Einrichtung der Hamburger Hochschulen, als Verbreiterin „pseudowissenschaftlicher Irrlehren“ bezeichnete, die „linker Propaganda“ Vorschub leiste (31.10.2021). Ein weiterer Artikel von AfD Watch Hamburg beschäftigt sich mit der Queerfeindlichkeit der AfD Hamburg.
Bildungspolitik wird instrumentalisiert, um Fremdenhass zu verbreiten
Fremdenhass, getragen von Größen- und Verfolgungswahn, prägt die bildungspolitischen Aktivitäten der Hamburger AfD. Die vor einigen Jahrzehnten und aktuell erneut von einem gewissen Friedrich Merz geführte Debatte um eine deutsche „Leitkultur“ dient der AfD als Maßstab, um alles, was sie als „nicht deutsch“ klassifiziert, als Begründung z.B. für schlechtere Schulleistungen heranzuziehen. Dem widersprechende Erkenntnisse aus der Bildungsforschung werden, ganz unpassend zum dem Thema Bildung, von der AfD konsequent ignoriert. Mit Bildungspolitik hat das nichts zu tun, stattdessen wird sie instrumentalisiert, um Fremdenfeindlichkeit zu verbreiten. „Bildungsbürger“ Wolf wird immer wieder zum „Wutbürger“, der in pseudointellektueller Attitüde versucht, das vermeintlich „Deutsche“ zu bewahren. Gleichheit, Vielfalt, Diversität, gegenseitige Wertschätzung und gegenseitiges Lernen kommen in seinem Weltbild nicht vor.
Dieser Artikel erschien kürzlich auf dem Informationsblog AfD-Watch-Hamburg, den die GEW Hamburg unterstützt. Er ist ein Informationspool für alle, die sich kritisch mit der AfD in der Hansestadt auseinandersetzen wollen. Wir danken für die Übernahme!
Weitere Infos:
Im Reader Haltung zeigen statt Zurückhaltung üben der GEW Hamburg zur Bürgerschaftswahl 2020 wird die Bildungspolitik der AfD-Fraktion Hamburg kritisch beleuchtet.
Die GEW ist Partnerin der neu gegründeten Hamburger Kampagne Klare Kante gegen Rechts, die mit Blick auf die Wahlen mit Akteur*innen aus Bildung, Wissenschaft, Gewerkschaften, Kultur u.v.m. den drohenden rechten Mehrheiten zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt entgegensetzen will.
Foto: Sarah Richter / Pixabay