Ro19 - Dokumentation der Debatte

GEW

Die hlz erfüllt den ihr vom Landesvorstand im Mai 2007 gegebenen Auftrag, eine Dokumentation über den Komplex Ro 19 zu veröffentlichen. Sie veröffentlicht die vorhandenen Dokumente im Internet bewusst in loser Folge, da sie sich außerstande sieht, diese nach inhaltlichen Kriterien zu ordnen, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, sie sei parteiisch vorgegangen.

Die Redaktion der hlz      

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Wer den Streit wegen des Hauses Ro 19 verstehen möchte, sollte nicht nur die letzten Abstimmungen über diesen Komplex kennen.

Meine Position war und ist

Im folgenden Text aus dem Jahr 2006 vertritt Jörg Berlin die Position, dass ein Ausschuss der zur Aufklärung eines Problems eingesetzt worden ist, nicht einseitige Stimmungsmache betreiben sollte, bevor die Arbeitsergebnisse den Mitgliedern in kontroverser Form vorgelegt worden sind. Den Mitgliedern und der Öffentlichkeit dürfen nicht nur die passenden Dokumente vorgelegt werden. Sie haben ein Recht darauf, auch jene Materialien kennen zu lernen, die andere Schlüsse nahe legen.

In der hlz 05-06/2006 erschienen unter der Überschrift

"Angemessen informieren"

Es muss für jedes Mitglied ein Schock gewesen sein, als bekannt wurde, das rechts neben dem Curiohaus liegende und der GEW gehörende Haus Rothenbaumchaussee 19 (im weiteren Text: Ro 19) sei 1935 unter möglicherweise zweifelhaften Umständen in deren Besitz gelangt. Für mich ist nachvollziehbar, wenn Kollegen, die unter vielen Mühen und mit großem Zeitaufwand die einschlägigen Unterlagen durchgearbeitet haben, ihre persönliche Deutung der damaligen Ereignisse auch in der HLZ durch Interview verbreiten.

Für eine umfassende Aufklärung der Mitgliedschaft reicht dies jedoch nicht. Stattdessen käme es jeweils darauf an, einerseits die unstrittigen Daten und andererseits verschiedene mögliche Interpretationen vorzustellen.

Bei einer Veranstaltung über den Ankauf des Hauses Rothenbaumchaussee 19 wäre es im Hinblick auf eine Information der Mitglieder folglich unangemessen, die Überlebende eines Konzentrationslagers über die Schrecken der NS-Herrschaft sprechen zu lassen und dann zum Ankauf des Hauses im Jahr 1935 überzugehen. Entsprechendes gilt auch für ein Interview mit einem Experten über das traurige Kapitel der "Arisierung" in Hamburg. Wenn dieser in der HLZ ausführlich den verbrecherischen Charakter jener Räubereien im allgemeinen darstellt, ist dies für die Leser nicht die beste Voraussetzung, anschließend unvoreingenommen über die Umstände des Kaufs von Ro 19 zu urteilen.

Dies gilt auch dann, wenn der Experte nebenbei einräumt, seine Äußerungen zum konkreten Einzelfall beruhten in zentralen Punkten auf Vermutungen. (Auf dessen Definitionsversuch, jeder Vermögenstransfer von Juden zu Nichtjuden sei Arisierung, will ich nicht weiter eingehen.).

Hier seien als Beispiele nur zwei von vielen Aspekte erwähnt, über die unsere Mitglieder informiert werden müssten, bevor sie sich ein eigenes Bild machen und über mögliche Konsequenzen in Bezug auf das Gebäude entscheiden können.

Eine wichtige Frage, auf die einzugehen wäre, ist, ob es Hinweise gibt, warum die Besitzer des Hauses, eine Erbengemeinschaft aus fünf Personen, dieses 1935 verkauften. Befürchteten sie eine Zwangsarisierung oder wollten wegen der NS-Politik emigrieren?

Entsprechende Hinweise gibt es nicht. Im Gegenteil: Einer der Vorbesitzer kaufte sich später erneut Immobilien, eine auch in Hamburg. Von einer anderen Person ist belegt, dass sie erst 1937 den Entschluss zur Auswanderung fasste. Zwei weitere Mitglieder der Erbengemeinschaft zogen nach dem Verkauf in eine neue, komfortable Wohnung an der Alster, was nicht auf eine geplante Emigration schließen lässt.

Von den jungen Kollegen, die für die HLZ das Interview führten, erwarte ich nicht, dass sie solche Fakten präsent haben. Der als Experte ausgewiesene Historiker F. Bajohr hätte jedoch auf diese Forschungsergebnisse zumindest hinweisen sollen.

Eine weitere Frage ist die nach dem Käufer der Immobilie. Im Interview heißt es lapidar, dies sei der "NS- Lehrerbund" gewesen. Die entsprechenden Ausführungen greifen aber für eine Aufklärung der mit der Organisationsgeschichte der GEW wenig Vertrauten zu kurz. Sie sind vor allem nicht hinreichend, jene abfällig erwähnte Argumentation zu entwerten, die davon ausgeht, der Vorläufer der GEW sei nicht der NS-Lehrerbund, sondern die "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schulwesens". Die "Gesellschaft" beschloss 1933, als ihre "Gleichschaltung" bereits entschieden war, unter dem Druck der Verhältnisse und um ihre Vermögenswerte zu retten, sich korporativ dem NSLB anzuschließen. Die Mitglieder erhielten die schriftliche Zusicherung, Kassen, Curiohaus und sonstige Vermögenswerte würden in ihrem Eigentum verbleiben. Die "Gesellschaft der Freunde" wurde dann 1934 korporativ der Abteilung "Wirtschaft und Recht" im NSLB angeschlossen, sie bestand also zumindest nominell weiterhin. Die neu gebildete Organisation hieß bis 1937 offiziell "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens (Abteilung Wirtschaft und Recht im NSLB, Gau Hamburg)". Da es vor 1933 in Hamburg neben der "Gesellschaft" keine Lehrerorganisationen mit nennenswerten Mitgliederzahlen gab und bis Anfang 1935 auch keine Zwangsmitgliedschaft für vorher Unorganisierte befohlen worden war, stammte das Geld mit dem 1935 der Kauf des neben dem Curiohaus gelegenen Hauses Rothenbaumchaussee 19 bezahlt wurde, nach aller Wahrscheinlichkeit aus den Kassen der "Gesellschaft". Dieser Umstand wird bei einer moralischen Beurteilung des Gesamtkomplexes und der nach 1945 erhobenen Ansprüche auf eine Erstattung des Hauses Ro 19 an die wieder gegründete "Gesellschaft der Freunde" nicht unbeachtet bleiben dürfen.

Mit diesem Leserbrief möchte ich nicht den Eindruck erwecken, als sei meine Beurteilung der Umstände des Kaufes des Gebäudes Rothenbaumchaussee 19 bereits abgeschlossen. Mir geht es zunächst um die Frage, ob die Mitglieder im Hinblick auf Verfahren und Inhalte bisher angemessen informiert wurden.

Jörg Berlin

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Arbeitspapiere zu Ro19

Text 1 " Ro 19 - Gedankengänge zur nicht erfolgten Rückerstattung": Der Text beschäftigt sich mit dem Rückerstattungsrecht im Nachkriegsdeutschland. Er dient als Diskussionsgrundlage ob und - wenn ja - eine Rückerstattung von Ro 19 aufgrund welcher Bestimmungen hätte erfolgen müssen. Er unterscheidet zwischen juristischer und politisch-moralischer Einschätzung.

Text 2 "Zum Begriff Arisierung": Der Begriff »Arisierung« wird umfassend erläutert, um diskutieren zu können, ob es sich bei der Inbesitznahme von Ro 19 um einen solchen Vorgang gehandelt hat.

Text 3 "Anmerkungen zur Lehrervereinshaus G.m.b.H.": Die Lehrervereinshaus G.m.b.H. ist laut Kaufvertrag 1935 Käufer von Ro 19. Der Text erläutert, welche Gesichtspunkte bedacht werden müssen, wenn man den Käufer genau bestimmen will.

Text 4 "Aktuelle Rechtsprechung zu Arisierung und Rückerstattung": Bei der Diskussion um juristische sowie politisch-moralische Einschätzungen des Verkaufs bzw. der Aneignung von Ro 19 müssen Grundsätze der Rechtsprechung berücksichtigt werden.

Text 5 "Reaktion auf Zwischenbericht": Der folgende Artikel stellt eine Reaktion auf einen in der HLZ veröffentlichten Zwischenbericht der Leiters der "Arbeitsgruppe Ro 19" dar, der nach der Auffassung von Jörg Berlin die Diskussionen dieser Arbeitsgruppe nur einseitig im Sinne der "Arisierungs"-These wiedergab. Dessen im folgenden Text vertretenen Positionen waren größtenteils bereits vorher im Ausschuss diskutiert worden. In dem erwähnten Zwischenbericht hatten sie jedoch keinen Niederschlag gefunden.

 

Zum Hintergrund der Antragsberatung und Beschlussfassung auf der
Landesvertreterkonferenz am 24.1.08 s. Bericht in hlz 12/08, S.12ff

  • 3 Beschluss "Verantwortung für die Geschichte übernehmen"
  • 3a Antrag "Verantwortung für die Geschichte übernehmen"
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