hlz-Notiz: Utopie ist machbar

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An die Vorstände der Gewerkschaften, Parteien, Sozial- und Umweltverbände und Kirchenleitungen in Deutschland

Ohne Arbeitszeitverkürzung nie wieder Vollbeschäftigung!

Deutschland und die ganze Europäische Union beinden sich in einer schweren ökonomischen und sozialen Krise. Die Arbeitslosigkeit hat in Europa unerträgliche Größenordnungen erreicht. Besonders erschreckend ist die Jugendarbeitslosigkeit, die in einzelnen Ländern über 50 Prozent hinausgeht. In Deutschland ist zwar die Zahl der Jobs in den letzten Jahren gestiegen, aber es sind überwiegend Kurz-Jobs, die als Lebensgrundlage nicht ausreichen (sog. prekäre Beschäftigungsverhältnisse). Die Bewältigung der Arbeitsmarktkrise erfordert die aktive Beteiligung aller demokratischen Kräfte im Land. Wirtschaftliche Macht und neoliberale Politik müssen daran gehindert werden, weiterhin die Krisenlasten der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit, den Arbeitslosen und den sozial Schwachen aufzubürden. Notwendig ist eine faire Verteilung der Arbeit durch eine kollektive Arbeitszeitverkürzung. Lassen Sie uns dafür gemeinsam kämpfen!

Seit Jahren indet eine sozial und ökonomisch kontraproduktive Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen (Gewinn, Zins, Miete, Pacht) statt. Dadurch wurde die Binnennachfrage eingeschränkt und das überschüssige Kapital – weg von der produzierenden Realwirtschaft – in den Finanzsektor umgeleitet. Gewaltige Finanzspekulationen und Finanzkrisen waren die Folge. Die Krisenbewältigung darf nicht denen überlassen werden, die aus den Krisen hohe Gewinne gezogen haben und jetzt erneut versuchen, mit Scheinalternativen und einer Therapie an Symptomen ausschließlich den Besitzstand der Vermögenden auf Kosten der großen Bevölkerungsmehrheit zu sichern.

In Deutschland sind gegenwärtig, wenn wir nur die nicht freiwilligen Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten mitrechnen, circa 6 Millionen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt. Während viele Menschen unter psychologischen Folgen der Arbeitslosigkeit in Form von Depressionen, Minderwertigkeitsgefühlen etc. leiden, müssen Beschäftigte in den Betrieben die Folgen von Mehrarbeit auf sich nehmen. Die Beschäftigten haben Angst, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. Dadurch wird ein an Unterwürigkeit grenzendes Verhalten der Beschäftigten und Arbeitslosen heraufbeschworen. Hierauf beruhen die Bereitschaft zu beträchtlichen Zugeständnissen (weniger Lohn, längere Arbeitszeiten, steigende Arbeitsverdichtung, mehr Flexibilität etc.) und die weitere Schwächung der Gewerkschaften – nicht nur bei Tarifverhandlungen.

Die Massenarbeitslosigkeit ist die Ursache des ruinösen Wettbewerbs unter den Beschäftigten und fördert die Entstehung des Niedriglohnsektors und solcher diskriminierenden Arbeitsformen wie Leiharbeit und Werkverträge ohne gewerkschaftliche Interessenvertretung. Daher ist dringend eine Verknappung von Arbeit auf die 30-Stunden-Woche notwendig. Die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland beträgt gegenwärtig ohnehin schon ca. 30-Stunden je Woche, aber die Arbeit ist ungleich verteilt.

Der Verteilungsspielraum ist immer die Produktivitäts- plus Preissteigerungsrate. Dabei ist Arbeitszeitverkürzung die einzige logische sowie historisch konsequente Antwort auf die jährlichen Produktivitätssteigerungen, die oberhalb der realen Wachstumsraten der Wirtschaft liegen und so zu einem Rückgang des Arbeitsvolumens und ohne Arbeitszeitverkürzung zu Arbeitslosigkeit führen. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist nur bei vollem Lohn- und Personalausgleich möglich, sonst sinkt die Lohnquote noch weiter, dies zeigen gesamtwirtschaftliche Berechnungen.

Denn: Nur eine kollektive Arbeitszeitverkürzung auf eine rechnerische gesamtwirtschaftliche 30-Stunden-Woche ist nach unserer Überzeugung einer der entscheidenden Schlüssel für die Perspektive einer Vollbeschäftigung – wenn nicht sogar der Wichtigste.

Dieser als Offener Brief veröffentlichte Text wurde bereits von 300 namhaften WissenschaftlerInnen unterzeichnet und ist in seiner ungekürzten Form über www.alternative-wirtschaftspolitik.de einzusehen.