Reden reichen nicht

25. Mai 2012Von: PresseredaktionThema: Bildungspolitik
GEW kritisiert: "Hamburg schafft die beste Ausstattung für Inklusion ab"
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"Schulsenator Rabe bessert mit seinem Konzept zur Inklusion an Hamburgs Schulen nicht nach" - diesen Schluss zieht die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hamburg, Sigrid Strauß, nach der Mammutsitzung des Schulausschusses am Dienstag dieser Woche. Der Senator deutete zwar an, er werde nach den Ferien schauen und eventuell etwas umverteilen, mehr Mittel und konkrete Zusagen stellte er nicht in Aussicht. Die Behörde hält also weiter am Sparkonzept fest. Dies aber hatten die Betroffenen, Eltern, Lehrer_innen, Schulleitungen, dem Senator in der Anhörung vor dem Schulausschuss vorgeworfen. Alle Anwesenden vertraten die einhellige Meinung, dass Inklusion von allen gewünscht und umgesetzt werden solle, dass aber zu deren Gelingen eine vernünftige Ausstattung gehöre. „Es müssen mehr und eigens ausgebildete Personen in den Schulen und vor Ort in den Integrationsklassen tätig werden, damit man allen Kindern gerecht werden kann. Da helfen auch nicht die angeblich intelligentesten Rechenarten und die Blicke über die Schultern zu anderen Bundesländern, denen es möglicherweise ähnlich und schlechter geht: In Hamburg sind die Kinder jetzt in den allgemeinbildenden Schulen und warten auf eine professionelle Betreuung und einen ebensolchen Unterricht“ fordert Strauß.

Die GEW ruft angesichts der angespannten Personallage an den Schulen alle an der Inklusion beteiligten Gruppen und Personen zu einer

Protestdemonstration am 12. Juni um 17 Uhr am Hachmannplatz

auf. „Das Inklusionsmodell darf kein Sparmodell werden, das widerspricht unserer Überzeugung. Wir brauchen mehr Mittel und ausgebildetes Personal an die Schulen“, so Strauß.

Zum Hintergrund:

Seit über 20 Jahren gibt es in Hamburg ein vorbildhaftes Modell für die von der UN geforderte Inklusion behinderter Kinder und Jugendlicher in das allgemeine Schulwesen: die Integrationsklassen und die Integrativen Regelklassen. In der Opposition hatte der jetzige Bildungssenator Ties Rabe noch als bildungspolitischer Sprecher der SPD gefordert, I- und IR-Klassen auszuweiten. Keinesfalls sollte mit der inklusiven Bildung ein Absenken der sonderpädagogischen Förderung verbunden sein“.

Jetzt will Senator Rabe die über 600 Hamburger Integrationsklassen und Integrativen Regelklassen abschaffen und durch ein Billigmodell ersetzen. Statt das bundesweit erfolgreichste Modell auszuweiten und zusammenzuführen, wird es jetzt zerschlagen: Integrative Regelklassen verlieren bis zu 75% ihrer zusätzlichen Versorgung, Integrationsklassen bis zu 40%. Dreist behauptet Ties Rabe wahrheitswidrig: „Einsparungen finden nicht statt. Im Gegenteil bleibt das hohe Ausstattungsniveau erhalten“.

Senator Rabe lobt sich und seine Behörde dafür, dass jetzt ein Konzept für die bedarfsgerechte Ausstattung der Inklusion, deren Organisation, Qualitätsentwicklung und für die notwendige Weiterbildung vorliegen würde. Für ihn ist die Arbeit seiner Behörde eine „großartige Leistung“, die es zu feiern gelte.

Wie sieht es aber tatsächlich aus?

Nur wenige Unterrichtsstunden können doppelt besetzt werden, d. h., neben der Allgemeinpädagogin arbeitet zeitgleich eine Sonderpädagogin bzw. eine sozialpädagogische Fachkraft im Unterricht. Es gibt keine hinreichende Vertretungsreserve gerade für sozialpädagogische Fachkräfte. Es fehlen Räume und Sachmittel. Es gibt keine inklusiven Bildungspläne und keine entsprechenden Leistungsrückmeldungen, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen. Die sonderpädagogische Fachlichkeit wird in der Inklusion halbiert.

Die Schulbehörde möchte zukünftig selbst entscheiden, wie viele Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung (LSE) in Hamburg haben. Dabei orientiert die Schulbehörde sich nicht am Bedarf des einzelnen Kindes oder den Aussagen der jeweiligen Schule. Sie unterstellt sogar einzelnen Schulen, sie würden Kinder als förderbedürftig melden, die bisher „ganz normal ohne zusätzliches Personal“ unterrichtet wurden.

Die Inklusion in den Schulen der Sekundarstufe findet nahezu ausschließlich an den Stadtteilschulen statt. Gymnasien haben im Gegensatz hierzu nur sehr wenige Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Die Lern- und Arbeitsbedingungen an Stadtteilschulen werden durch das neue Konzept nicht hinreichend gestärkt.

Die Inklusion ist - wie Senator Rabe sagt - tatsächlich eine große Chance, für das gemeinsame Lernen. Der Senat muss hierfür aber die notwendigen Mittel bereitstellen.