Moderne Zeiten - Zum Schulranking

Schwerpunkt
Mit der Veröffentlichung der Abiturnoten geht der Kampf um die Bildungschancen in die nächste Runde

„Immer mehr Abiturienten und bessere Noten der Absolventen“ – Mit diesem Aufmacher fasst das HA in seiner Samstagsausgabe vom 10.1.2014 das Ergebnis einer großen Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten Prien, Heinemann, Scheuerl und der CDU-Fraktion zusammen  (Drucksache 20/10116) und druckt dazu eine Liste von 96 STS und Gymnasien ab, sortiert nach dem Durchschnittswert der Abiturnoten 2007/08 bis 20012/13.

Endlich hat die CDU das lang ersehnte Schul-Ranking in der Öffentlichkeit! Rechtzeitig genug, um das Anmeldeverhalten der Eltern zu beeinlussen. Pauschal betrachtet: Gymnasien oben, Stadtteilschulen unten. Das wird vermutlich den Run auf die Gymnasien noch weiter verstärken. Will die CDU das? Kann es im Interesse der Hamburger Bevölkerung sein, wenn die STSn zu Restschulen abgestempelt werden, die zudem fast ausschließlich die Aufgabe der Inklusion schultern müssen?

Was zeigt das Ranking nach Abinoten?

1. Die Durchschnittswerte aller Schulen haben eine Zwei vor dem Komma (mit einer Ausnahme). Die Hälfte aller Schulen haben bessere Durchschnittswerte als 2,5.

2. Die meisten STSn haben im Nachkommastellenbereich schlechtere Werte als die Gymnasien, mit Ausnahme einiger „Leuchtturmschulen“. Das liegt vor allem daran, dass kaum ein_e Schüler_in an den Stadtteilschulen eine gymnasiale Empfehlung hat. Viele Stadtteilschulen waren Haupt- und Realschulen. Deren Schülerschaft strebt in stärkerem Maße als früher das Abitur an.

3. Gleichermaßen bei Gymnasien und Stadtteilschulen spiegelt die Rankingliste der Abiturdurchschnittsnote vor allem die regionalen sozialen Verhältnisse der Stadt wider. Gerade   aus   diesem   Grund hat die GEW immer vor den Gefahren eines öffentlichen Schulrankings gewarnt.

4. Die Behauptung, das Niveau des Hamburger Abiturs sei (noch weiter) gesunken, kann durch die Antwort des Senats auf die Anfrage der CDU nicht bewiesen werden und bleibt somit gebetsmühlenartig wiederholter bildungspolitischer Populismus.

Zurück zum Abendblatt-Aufmacher „Immer mehr Abiturienten“: An dieser Aussage zeigt sich wieder einmal die uralte Furcht von Teilen des Bildungsbürgertums vor einem Bildungssystem, das ihren Kindern den exklusiven Zugang zu höher dotierten Berufen streitig macht. Eine Furcht, die übrigens völlig unbegründet ist, denn in keinem europäischen Land ist die soziale Herkunft der Kinder bedeutsamer für deren Bildungserfolg als in Deutschland.

Mal abgesehen von Notendurchschnitten und Tests: Mehr Abiturient_innen, das heißt, mehr junge Menschen gehen länger zur Schule und nutzen damit die Chance, ihre Bildung zu erweitern. Manche merken erst ab 17, wie bereichernd das ist. Was gibt es daran zu kritisieren?

 

WOLFGANG BRANDT