Es war nicht anders zu erwarten: Schmerzfreies Einführen der Schuldenbremse mit moderatem Einschmelzen des öffentlichen Haushalts – ohne dass es wirklich jemand merkt – das funktioniert nicht. Selbst in der SPD-Fraktion, die in der Hamburger Bürgerschaft die absolute Mehrheit hat, regt sich Widerstand gegen die Kürzungen bei der offenen Kinder- und Jugendhilfe, beim Streichen der Erholungskuren für besonders bedürftige Kinder, gegen den Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung. Im Bildungsbereich beschränkt sich der Widerstand allerdings auf die Oppositionsparteien und die außerparlamentarischen Bewegungen, auf Gewerkschaften, Eltern,- und LehrerInnenverbände, SchülerInnen und Studierende.
Wer die SPD-PolitikerInnen in öffentlichen Anhörungen, Bürgerschaftsausschüssen oder in den Medien hört, der stellt fest, dass oft von „liebgewonnenen Gewohnheiten“ die Rede ist, von denen man sich trennen müsse – eine andere Formulierung dafür, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Es könne schließlich nicht immer so weitergehen mit neuen Auf- und Ausgaben, wenn nicht gleichzeitig alte Aufgaben zurückgeführt würden. Das ist „pay as you go“ in Reinkultur. Die Konsequenz dieses Dogmas wird allerdings nur im öffentlichen Dienst, im Sozial- und Bildungsbereich an den Tag gelegt und trifft dort die Falschen. Bei den 400 Mio. für Hapag Loyd und den vielen zusätzlichen Mio. für den Rückkauf der Stromnetze und für die Elbphilharmonie kann schnell die Haushaltsdisziplin ad acta gelegt werden. Wo diese Gelder dann eingespart werden, bleibt nicht unserer Phantasie überlassen. Wir dürften die zukünftigen Generationen nicht mit Schulden belasten, heißt es zur Rechtfertigung der Schuldenbremse.
Dürfen wir sie aber mit maroden Bildungseinrichtungen belasten, mit einem Bildungsetat, der in Relation zum Reichtum unserer Stadt am unteren Ende in Deutschland und erst Recht in Europa liegt? Streichungen der offenen Kinder- und Jugendhilfe, Kuren für bedürftige Kinder, der Integrationsklassen und integrativen Regelklassen, der Sprachförderung an Sonderschulen – belasten wir damit nicht gegenwärtige und künftige Generationen? Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, was dieses Gemeinwesen sich eine gute Bildung für alle, gute soziale Einrichtungen kosten lassen will. Ist es sinnvoll, ReferendarInnen über ihre enormen Belastungen hinaus noch zusätzliche selbstverantwortete Unterrichtsstunden von Anfang an leisten zu lassen, um ein paar LehrerInnenstellen zusätzlich einzusparen – zu Lasten der Qualität der Ausbildung und auf dem Rücken der ReferendarInnen, die ohnehin so gering bezahlt werden, dass etliche von ihnen zusätzlich Hartz IV beantragen müssen? „Lehrkraft stark machen“ – diese Kampagne der GEW ist ein Mittel, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass ein Umlenken nötig und möglich ist. Unsere online- Umfrage hat ergeben, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ein hohes Maß an Verantwortung für ihre SchülerInnen zeigen. Es geht ihnen nicht um Standesinteressen, sondern um ihre SchülerInnen, wenn sie Doppelbesetzungen fordern, um ihnen gerecht zu werden, wenn sie sozialpädagogisches Fachpersonal fordern, um professionell unterstützt zu werden oder wenn sie Entlastung von bürokratischen Verwaltungsaufgaben, Leistungsvergleichen und Papierkram fordern, um mehr Zeit zu haben, sich ihren SchülerInnen zu widmen.
Das alles wäre möglich, wenn die Regierung in Hamburg den gleichen Eifer bei der Erarbeitung eines langfristigen Plans zur Verbesserung der Bildung in Hamburg ( z.B. bis 2020) an den Tag legen würde wie bei der Einhaltung der Schuldenbremse bis 2020. Dabei könnte dann herauskommen, dass wir einen besseren Steuervollzug brauchen, um die Reichen in dieser Stadt so zu besteuern, dass die öffentlichen Mittel für die großen Aufgaben reichen. Und schließlich gehört dazu, sich wirklich stark zu machen für eine veränderte Steuerpolitik mit der Erhöhung der Spitzensteuersätze für hohe Einkommen, einer Vermögenssteuer und der Erhöhung der Erbschaftssteuer.
Vor den Haushaltsberatungen des Senats für 2013/14 , die jetzt beginnen und bei denen angesichts des Senatskurses bisher mit dem Schlimmsten zu rechnen ist – und das heißt: weiterer Personalabbau im öffentlichen Dienst und Einschränkungen im Sozial- und Bildungsbereich –, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, auf ein breites Bündnis von Beschäftigten und Betroffenen zu orientieren, das diesem Mainstream in der Regierung und ihrer Partei öffentlich entgegentritt und Alternativen deutlich macht. Noch ist es nicht zu spät.
hlz-Notiz - Gegen die Wand?
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Klaus Bullan
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