Kerstin Mögle, Vorschullehrkraft und Sprecherin vom Arbeitskreis VSK, hielt beim Warnstreik am 27.10 eine Rede:
Hallo - liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mein Name ist Kerstin Mögle. Ich bin Vorschullehrkraft in einer Grundschule in Altona. Seit nunmehr 15 Jahren arbeite ich als Vorschullehrerin. Dabei war ich in verschiedenen Schulen in Hamburg tätig.
Wenn ich Menschen, die nicht im Bereich „Schule“ arbeiten, die Bedingungen und Zustände in meiner Tätigkeit erzähle und versuche, es zu erklären – was nicht immer ganz einfach ist, wegen der vielen „Besonderheiten“, die dieses System so mitbringt – ernte ich immer wieder Unglauben, Staunen und auch Empörung…:
Ach – ihr unterrichtet alle Fächer der Grundschule…?
Ach – in der Vorschulklasse zu unterrichten galt lange gar nicht als „Lehrerin“…?
Und ihr habt keine Vollzeitstellen….?
Ach – ihr verdient als studierte Sozialpädagogen weniger als ich (Physiotherapeutin)….??
Und ihr seid tatsächlich für so viele Kinder alleine zuständig…?
Aber ihr müsst auch die Integration und Inklusion bewältigen – auch alleine…?
Und es gibt keine Doppelbesetzungen? Auch nicht bei sehr schwierigen Kindern in der Klasse?
Ja, als Vorschullehrkraft ist man deutlich anders aufgestellt als eine Lehrkraft – um einiges SCHLECHTER!
Dieses Modell der Vorschule, integriert in die Grundschule unter der Dienstaufsicht der BSB (der Behörde für Schule und Berufsbildung), wie es hier in Hamburg seit 50 Jahren erfolgreich geleistet wird, ist bundesweit einmalig.
Damit ist es ein besonderer Schatz in der Schullandschaft – und das wird auch der zuständige Senator Thies Rabe nicht müde zu erwähnen… Wann immer es passt, betont der Schulsenator, wie gut und wichtig die Vorschule ist:
als erster Schritt der Kinder in die Schule,
als wichtiger Baustein der Frühkindlichen Bildung,
als Spurenlegung in eine gelungene Schullaufbahn…!
Recht hat er!
Viele Familien in Hamburg entscheiden sich ganz bewusst, ihr Kind in eine der jetzt ungefähr 500 Vorschulklassen in Hamburg einzuschulen – nach vielen positiven Erfahrungen und mit hoher Erwartung.
Jedes Jahr erhöht sich die Zahl der für die Vorschulklassen angemeldeten Kinder – jedes Jahr müssen weitere Vorschulklassen aufgemacht werden!
Die Vorschule in Hamburg hat einen guten Ruf! Aber eben auch NUR in Hamburg….!
Das ist eines unserer Hauptprobleme… Dieser Hamburgische Sonderfall wird gerne übersehen und als nicht so wichtig erachtet….
...Diese paar Exot:innen in der Schullandschaft...
So ist es auch historisch entstanden, dass bei der Überleitung vom BAT in den TVöD im Oktober 2005, der Dienstherr einseitig beschloss, dass die Arbeit der Vorschullehrkräfte nicht tarifiert wird, aber von einer 100% Stelle auf eine 85% Stelle heruntergestuft und in die „kleine“ E9 eingruppiert wird – mit ewig langen Stufenlaufzeiten. Das führt innerhalb weniger Jahre zu sehr großen Gehaltsdifferenzen zu anderen Sozialpädagog:innen in anderen mit E9 vergüteten Stellen.
In diesem tarifvertragsfreien Zustand habe ich in einer Grundschule in Harburg angefangen – nach einem, auf dem zweiten Bildungsweg abgeschlossenen, Diplom-Sozialpädagoginnen-Studium.
Abgesehen davon, dass diese Anstellung mit einem befristeten Arbeitsvertrag begann (der drei Jahre immer wieder neu verlängert werden musste…) war meine erste „Bezügemitteilung“ ein echter Schock…! Vorher hatte ich in meinen ersten zwei Berufen als Bürokauffrau und Heilerzieherin gearbeitet – jetzt, nach einem 3jährigen Studium und einer sehr herausfordernden wissenschaftlichen Diplomarbeit – hatte ich unten rechts auf dem Lohnzettel weniger netto als vor dem Studium….
Seitdem kämpfe ich zusammen mit meiner Gewerkschaft für eine Verbesserung dieser unsäglichen Situation der Vorschullehrkräfte.
2015 sind wir mit vielen Kolleginnen auf die Straße gegangen und mussten zunächst unsere Tarifierung in den TV-L erkämpfen!
In der Tarifrunde 2017 konnte dann durch weiteren Druck eine Höherstufung in die „große“ E9 erreicht werden – sehr mühselige kleine Erfolge…
Im Sommer 2019 präsentierte uns der Senator zur Feier von ‚50 Jahren Vorschulklassen in Hamburg‘ dann ein erweitertes, mit massiven Anforderungen und Inhalten gespicktes, neues „Bildungsprogramm für Vorschulklassen“, das nunmehr als verbindliche Arbeitsgrundlage zu nutzen ist.
Die Aufstockung von Ausstattung, die Zuweisung von Geldern oder Zeit, um dies alles umzusetzen, wurde aber leider an keiner Stelle erwähnt….
Außerdem wurde übersehen, dass eine Angleichung der Vergütung für die Vorschullehrkräfte, die – spätestens hier im Bildungsprogramm deutlich ablesbar – eine hoch anspruchsvolle Arbeit leisten, nunmehr dringend geboten ist….
In der Tarifrunde 2019 konnte für den Sozial- und Erziehungsdienst ein Meilenstein erreicht werden:
Die Kolleg:innen wurden in die S-Tabellen des TVöD übergeleitet – ein deutliche Aufwertung der Tätigkeiten – und auch ein ordentlicher Zugewinn für das Portemonnaie!
Inzwischen gibt es A13 für Grundschullehrkräfte zu feiern – das freut uns natürlich als Erfolg der Gewerkschaft auch…
…aber es bleibt doch ein sehr bitterer Beigeschmack:
Wieder einmal wurden die Vorschullehrkräfte übergangen…!
Zum Sozial- und Erziehungsdienst gehören wir nicht…
…aber zu den Lehrer:innen in den Grundschulen, in denen wir sehr ähnlich und sehr eng zusammenarbeiten, gehören wir auch nicht?!?!
Deshalb hat diese kleine Gruppe der Exot:innen es jetzt satt!
Hier sind wir!
…und setzen Spuren jetzt nicht mehr nur täglich für die 9.800 Vorschulkinder in Hamburg
sondern öffentlich und laut!!
Wir fordern ein Ende der Zwangsteilzeit und endlich die E11 für alle Vorschul-Lehrkräfte!
(Foto: Fredrik Dehnerdt)