Auf einer gemeinsamen Veranstaltung von GEW, ver.di und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) erfuhren Pensionär:innen, in welchem Maße sie mittlerweile gegenüber ihren aktiven Kolleg:innen in Sachen Bezahlung (Alimentierung) ins Hintertreffen geraten sind.
Wenn mehr als 100 Ruheständler:innen, Pensoniär:innen also, im Curio-Haus zusammenkommen und ihre Wissenslücken in Sachen Versorgungsbezüge auffüllen wollen, dann muss da schon längere Zeit etwas im Verborgenen vor sich gegangen sein, dem man auf die Spur kommen will.
Natürlich sehen alle Betroffenen am Anfang jeden Monats, was auf ihr Konto überwiesen wird. Und da in aller Regel die Tarifergebnisse der angestellten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Pensionär:innen übertragen werden, lässt sich manchmal auch erkennen, dass der Überweisungsbetrag gestiegen ist. Das ist in einer wachsenden Wirtschaft, an deren Erfolg alle Beteiligten ihren Anteil beanspruchen, nur normal. Und da Beamt:innen bekanntlich das Streikrecht verweigert wird, bleibt ihnen nichts anderes übrig als darauf zu hoffen, dass ihre nicht-verbeamteten Kolleg:innen qua gewerkschaftlicher Macht sich ihren - und damit unseren - Anteil am größer gewordenen Kuchen erkämpfen.
Da der Arbeitgeber der Beamt:innen der Staat ist, der fürsorglich für alle seine Beschäftigten – und dies schließt die nicht mehr im aktiven Dienst stehenden mit ein - zu sorgen hat, müsste er diese am allgemeinen Wohlstandszuwachs teilhaben lassen, sofern es denn einen solchen gegeben hat. Soweit die Theorie, mit Blick auf die Praxis lässt sich aber feststellen, dass die Einkommenszuwächse bei den Ruhestandsbezügen in den letzten Jahren kleiner ausfielen als bei den aktiven Kolleg:innen.
Dies zu legitimeren fällt dem Dienstherrn(!) schwer, weil es ja eigentlich heißen müsste: „Versorgung ist grundsätzlich an die Vergütung der aktiven Kolleg:innen geknüpft “, wie unser Kollege Gerhard Brauer betonte, der den Abend gestaltete. Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die politischen Entscheidungsträger_innen so ungleich verfahren, weil sie meinen, dass sie, wenn es um Haushaltseinsparungen geht, von den Pensionär:innen den geringsten Widerstand zu erwarten haben. Hinzu kommt, dass jene Politiker:innen die öffentliche Meinung meist hinter sich wissen, weil von interessierter Seite ohnehin die bekannten Vorurteile gegen Beamt:innen und ganz besonders die gegen die Gruppe der Pensionär:innen immer wieder aufs Neue geschürt werden.
Weil sich nun der Dienstherr nicht die Blöße geben wollte und will, mit zweierlei Maß zu messen, in dem er das Prozentergebnis nicht überträgt - einen diesbezüglichen gesetzlichen Anspruch gibt es ohnehin nicht -, fand und findet er immer wieder Lücken im Versorgungsrecht, die er nutzt, um die Bezüge zu kürzen. Es sind in aller Regel erworbene Ansprüche, die dann mit einem Federstrich beseitigt werden. Man nimmt wohl an, dass dies sowieso keine:r merkt bzw. dass sich niemand darüber aufregt.
Der Kollege Brauer hat an einer Beispielrechnung für eine durchschnittliche berufliche Biografie einer Lehrkraft nachlesbar gemacht, dass Versorgungsempfänger:innen jährlich gegenwärtig um die 10 000 Euro (!) mehr gezahlt werden müssten, wenn es die in den letzten 20 Jahren erfolgten Streichungen von Ansprüchen nicht gegeben hätte. Und es ging an diesem Abend nicht nur um Lehrer_innen. Auch der Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) konnte berichten, wie Ansprüche, derer sich aktive Kolleg:innen sicher waren, mit der Pensionierung wegfielen. Neugierig geworden? Wie sich das im Einzelnen aufschlüsselt, könnt ihr in der nächsten hlz-Ausgabe nachlesen.
Die Darstellung von Gerhard Brauer hat so manchem Kollegen/mancher Kollegin die Augen geöffnet. Aber es ging noch um mehr an diesem Abend. Der Kollege Olaf Schwede vom DGB stellte differenziert dar, was es mit den Klagen von über 7000 Kolleg:innen - und die Anwesenden waren ein Teil davon - gegen ihren Dienstherrn auf sich hat, weil dieser sich weigert, sie gemäß Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „amtsangemessen zu alimentieren“, wie es im Juristendeutsch heißt. Eine komplizierte Gemengelage, die ebenfalls in der kommenden Ausgabe der hlz aufgeschlüsselt wird.
So manchen Anwesenden wurde an diesem Abend erstmals die Dimension der Kürzung ihrer Pensionsbezüge deutlich. Sie alle gingen nach zwei Stunden intensiven Zuhörens und anschließender Diskussion mit dem Gefühl nach Hause, dass dies der Anfang eines sicherlich zähen Ringens um berechtigte Ansprüche sein könnte.
Joachim Geffers
BG-Ruheständler:innen
Foto: Jamil Jalla / www.jamiljalla.com / @jamil.jalla
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Pensionär*innen dürfen nicht abgehängt werden! | 154.34 KB |