Mehr allein

26. Juni 2012Von: Junge GEWThema: Schule
Der Senat plant eine Erhöhung des bedarfsdeckenden Unterrichts – ein Problem nicht nur für ReferendarInnen, sondern auch für die GEW

Eigentlich beschreibt das Wort „Entsetzen“ ganz gut das Gefühl, das (nicht nur) bei zukünftigen ReferendarInnen derzeitig herrscht. Der Senat plant im Zuge der Neugestaltung der 2. Ausbildungsphase (Referendariat) für angehende LehrerInnen eine Erhöhung des bedarfsdeckenden Unterrichts (was für ein
Wort!). Schon jetzt gilt die Regelung, dass die ReferendarInnen allein vor der Klasse stehen und
eigenverantwortlichen Unterricht erteilen müssen, als größter Hinderungsgrund für eine gute Ausbildung während der zweiten Phase. ReferendarInnen sind schon mit der jetzigen Regelung massiv überlastet. Dies
zeigte nicht zuletzt ganz deutlich die durch LI und Schulbehörde durchgeführte Befragung der ReferendarInnen im Jahr 2008. Die Auswertung der Ergebnisse liegen der Behörde vor.

Als bekannt wurde, dass das Referendariat im Zuge der Umgestaltung des Studiums angepasst werden soll, gab es bei vielen LehrerInnen, Studierenden und MitarbeiterInnen des LI die große Hoffnung, dass die Neugestaltung dazu genutzt würde, die Ausbildung zu modernisieren und den gegebenen Umständen
anzupassen. Um diese Diskussion in Schwung zu bringen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hatte die Junge GEW zu einem Think-Tank-Tag am 24.09.2011 ins Curio Haus eingeladen. Unter den
dort Anwesenden waren auch Vertreter des LI. Gemeinsam sind die vielen Schwachpunkte der jetzigen Ausbildung herausgearbeitet worden und Vorschläge zur Neugestaltung entwickelt worden. Diese  Vorschläge decken sich zwar nicht eins zu eins mit all den Forderungen, die die Junge GEW in der Januar/Februar Ausgabe der HLZ veröffentlicht hat, aber die Richtung war die gleiche.

Billiger statt besser

Ausbildung im Sinne von Anleitung, Unterstützung und Erfahrungen im geschützten Rahmen sammeln, findet in der zweiten Phase der Ausbildung nur unzureichend statt. LehrämtlerInnen, die von der Uni kommen und nahezu keine Praxiserfahrung haben, sollen nun noch mehr eigenverantwortlichen Unterricht  (Bedarfsdeckenden Unterricht = BdU) leisten. Das darunter nicht nur die ReferendarInnen leiden, liegt auf der
Hand. Wie soll ein guter Unterricht, geleitet von sich noch mitten in der Ausbildung beindlichen Lehrkräften, bewerkstelligt werden? Neben den überforderten ReferendarInnen wird den Kindern und Jugendlichen durch die mangelnde Ausbildung der angehenden LehrerInnen ein guter Unterricht verwehrt, da die Anforderung, noch mehr Stunden guten Unterrichts zu leisten, nicht erfüllt werden kann.

Die Konsequenzen müssen also letztendlich die SchülerInnen tragen. Zusammen mit den Kindern von den Abgeordneten, die die Kürzungsgesetze beschließen.

Der schulische Alltag in und außerhalb des Unterrichts ist schon jetzt stark belastend für Lehrkräfte, unter anderem deshalb, weil die pädagogischen Herausforderungen zugenommen haben, es an vielen Schulen nicht ausreichend ausgestattete Unterrichtsräume gibt und die Unterrichtsverplichtung viel zu hoch ist. Eben aus diesem Grund hat die GEW Hamburg dazu eine Kampagne gestartet. Am Anfang dieser Kampagne stand eine Umfrage, deren erste Ergebnisse ganz deutlich die Überlastung der Lehrenden dokumentieren. Diese Umfrageergebnisse decken sich mit Studienergebnissen zur Situation im Lehramtsberuf oder zu anderen pädagogischen Berufen, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden.

Es gibt eine Krise im Bildungssystem. Das sichtbarste Zeichen dafür war das  miserable Abschneiden der Schülerinnen und Schüler deutscher Schulen bei diversen internationalen Vergleichen. Ein Grund für dieses schlechte Abschneiden sehen die Autoren auch in der arbeitszeitlichen Überlastung von Lehrkräften und die dadurch hervorgerufenen miserablen Lernbedingungen für  SchülerInnen. Überlastung produziert schlechte Lehr- und damit Lernergebnisse. So einfach und deutlich ist der Zusammenhang.

Leben an der Grenze

Die im Vergleich zu anderen Berufen erhöhte Burn-Out-Gefahr im Job als LehrerIn wird immer wieder von verschiedenen Seiten betont; die damit einhergehenden hohen Kosten für das Gesundheitssystem schon weniger. Diese Zahlen werden weiter ansteigen, wenn nicht eine deutliche Entlastung eintreten wird. Die zukünftigen ReferendarInnen werden so schon während der Ausbildung noch näher an den Burn-Out herangeführt werden. Dass die Bürgerschaft/ Schulbehörde den Schluss aus dieser beschriebenen Problematik zieht, LehrerInnen schon in der Ausbildung noch weiter zu be- anstatt zu entlasten, sollte als
grob fahrlässig beschrieben werden. Diese arbeitszeitliche Belastung wird durch die zum Teil miserable Ausstattungssituation an den Schulen noch verstärkt werden. Des Weiteren wird hier aber auch eine Problematik für die GEW deutlich: ReferendarInnen kommen als aktive Mitglieder in unseren Strukturen nur
sehr wenig vor. Das liegt nicht daran, dass kein Interesse an gewerkschaftlicher Politik besteht. Die Begründung, die in vielen persönlichen Gesprächen genannt wird, ist die der völligen Überlastung während
des Referendariats. Die gleiche Situation besteht bei (jungen) neu eingestellten LehrerInnen, die sich oftmals so überfordert fühlen, dass sie schlicht und ergreifend keine Zeit sehen, sich gewerkschaftlich zu  organisieren und zu engagieren. Eventuell liegt darin auch die Begründung für die Diskrepanz zwischen
einerseits gestiegenen Mitgliederzahlen, im Besonderen auch unter jungen Lehrkräften und andererseits
sinkende Aktivität von eben diesen. Sie erhoffen sich durch ihre Mitgliedschaft die Situation: „Macht bitte was für mich, ich kann mich aber wegen meiner Überlastung nicht aktiv einbringen.“ Aus diesem Grund
sollte die Kampagne der GEW gegen die Arbeitsbelastung von Lehrkräften auch die Situation von ReferendarInnen und neuen LehrerInnen einbeziehen.

Die Logik des Hamburger Senats, die hinter den geplanten Maßnahmen steht, ist eindeutig und wird von Vertreterinnen und Vertretern der Behörde auch gar nicht verheimlicht: Es sollen die Kosten für die Einstellung von ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern eingespart werden. Eine Referendarin oder ein Referendar ist nun einmal um einiges billiger als eine ausgebildete Lehrkraft. Die Argumentation, dass
ReferendarInnen nur deswegen in ihrer Ausbildung so schlecht bezahlt werden, weil sie ja noch nicht vollständig ausgebildet wurden, erscheint somit als widersinnig. Dieser Argumentation folgend müsste versucht werden, den Anteil des eigenverantwortlichen Unterrichts so gering wie möglich zu halten. Da dies nicht der Fall ist und das somit auch nicht der Grund sein kann, sollte die Bezahlung der ReferendarInnen
auch an A12 und A13 angeglichen werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – eine alte gewerkschaftliche
Forderung!

FLORIAN SCHUBERT
SUSANNE JACOBS
JUNGE GEW HAMBURG