Die GEW lehnt jegliche Mehrarbeit von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (LiV) grundsätzlich ab.
Der Vorbereitungsdienst dauert in Hamburg 18 Monate und bereitet auf die Tätigkeit als Lehrkraft vor. Die Ausbildung der angehenden Lehrkräfte findet sowohl am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) als auch an den Hamburger Schulen statt. Hierbei übernehmen die LiV eigenverantwortlich insgesamt 30 Stunden bedarfsdeckenden Unterricht (bdU) (im Schnitt 10 Stunden pro Halbjahr). Zusätzlich zu dieser Unterrichtstätigkeit schreibt die Ausbildungsordnung außerdem verpflichtend den Besuch von Seminaren am LI, die Durchführung und Teilnahme an Hospitationen an der eigenen und an fremden Schulen, an Lehrertrainings und den zusätzlichen schulischen Einsatz außerhalb des bdU vor, sodass diese Ausbildung als eine Vollzeittätigkeit angelegt ist.
Mehrarbeit findet immer dann für LiV statt, wenn diese für zusätzlichen bdU eingesetzt werden. Diese Mehrarbeit wird gemäß Hamburgischer Mehrarbeitsvergütungsverordnung (HmbMVergVO) vergütet, da LiV i.d.R. den Status einer Beamtin oder eines Beamten auf Widerruf innehaben.
Am 27.01.2018 kündigte Senator Rabe im Hamburger Abendblatt an, dass zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels nun verstärkt auch LiV zusätzlichen bdU übernehmen sollen. Diese zweifelhafte Praxis lehnen wir aus den folgenden Gründen entschieden ab:
- Beim Vorbereitungsdienst handelt es sich um eine dauerhafte Prüfungssituation für die LiV, da diese sich in Bewertungs- und Beurteilungssituationen durch die Schul- und Seminarleitungen befinden. Wir befürchten, dass LiV in Folge dieses Abhängigkeitsverhältnisses unfreiwillig Mehrarbeit leisten werden, um zu verhindern, dass Schul- und Seminarleitungen die Ablehnung eines Mehrarbeitsangebotes als Zeichen geringer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit auslegen und diese sich somit negativ auf ihre Beurteilung auswirkt.
- Befragungen zur Lehrkräfte-Arbeitszeit und die Gefährdungsbeurteilungen zeigen, dass LiV ohnehin die festgesetzten Wochenstunden ihrer Vollzeittätigkeit weit überschreiten. Es ist unverantwortlich, dass ausgerechnet die Lehrkräfte in der Ausbildung die Fehlplanungen der Schulbehörde mit ihrer Gesundheit und Zeit zur Erholung kompensieren sollen.
- Mehrarbeit von LiV schädigt langfristig die Qualität unserer Lehrkräfte. Kern der Professionalität von Lehrkräften ist die Fähigkeit, den eigenen Unterricht und das pädagogische Handeln zu reflektieren. Diese Fähigkeit wird insbesondere im Vorbereitungsdienst erlangt. Steigt die Unterrichtsverpflichtung, fehlen die nötigen Freiräume für diese notwendige Reflexion. Zusätzlich wird Mehrarbeit nicht von Mentor_innen und Seminarleitungen begleitet. Es kann nicht im Sinne von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften sein, dass so die Qualität der Ausbildung und des Unterrichts der LiV beeinträchtigt wird.
- Insbesondere in der Zeit der Prüfungen steigen die Belastung der LiV und die Abhängigkeit von Schulleitungen – die nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Prüfende sind – stark an. In dieser Zeit sollten LiV sich auf die Vorbereitung der Prüfungen und ihr eigenes Lernen konzentrieren können und nicht darauf, drohenden Unterrichtsausfall zu verhindern.
- In den letzten Jahren wurde der bdU erhöht, um Sparmaßnahmen in der schulischen Personalpolitik ausgleichen zu können. LiV nun zu Mehrarbeit zu ermuntern sehen wir als Versuch, eine weitere Erhöhung des bdU zu legitimieren. Dies kann nur auf Kosten der Ausbildungsqualität durch Wegfall von Seminarverpflichtungen und Reflexionsmöglichkeiten geschehen.
- In seiner Stellungnahme stellt der Senator fest, dass bereits „viele“ LiV Nebentätigkeiten[1] nachgehen. Für diese LiV decken die Anwärter_innenbezüge die Lebenshaltungskosten in Hamburg folglich nicht. Die Lösung des Senators, dass LiV stattdessen einer Mehrarbeit nachgehen sollen, ist hingegen ebenso kurzsichtig wie zynisch: Stattdessen müssen die Anwärter_innenbezüge erhöht werden, um den LiV einen ausbildungsförderlichen Grundrahmen für ihre Ausbildung zu bieten und so die Attraktivität der Lehrer_innenbildung in Hamburg zu steigern.
- Die Mehrarbeit von LiV ist keine nachhaltige Lösung des Lehrkräftemangels, denn durch Mehrarbeit verhindern LiV, dass für sie nach dem Vorbereitungsdienst besser bezahlte feste Stellen geschaffen werden.
Um den Lehrkräftemangel in Hamburg zu bekämpfen, bedarf es nachhaltiger Lösungen. Stattdessen LiV als kurzfristige Lückenbüßer zu nutzen, mindert nicht nur die Qualität der Lehrer_innenausbildung, sondern auch die Attraktivität des Berufs und die Unterrichtsqualität für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
[1] Eine Nebentätigkeit liegt immer dann vor, wenn LiV nicht einer zusätzlichen unterrichtlichen Tätigkeit, sondern einer anderen genehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen.
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