Frerk, Maulina, Pekka & Co. Lesung mit Finn-Ole Heinrich

30. Oktober 2017Von: Christoph JantzenThema: Schule

Am 23.10.2017 war Finn-Ole Heinrich im Café BERGTAGS in Altona zu Gast, um auf Einladung der AJuM Landesstelle Hamburg, dem Grundschulverband, Landesgruppe Hamburg und dem Arbeitsbereich Deutschdidaktik der Universität Hamburg einen spannenden Einblick in sein Werk und Schaffen zu geben. Bereits in der einleitenden Vorstellung durch Jochen Heins wird deutlich, dass Finn-Ole Heinrichs Werk nicht nur ein breites Spektrum abdeckt, das Kinder- und Jugendbücher umfasst, von Bilderbüchern bis zu Adoleszenzromanen reicht und von Theaterstücken für Kinder bis zu Erzählungen für Erwachsene, sondern dass es bei der Auseinandersetzung mit diesem Werk auch immer um die Frage geht, was denn eigentlich „Kinder- und Jugendliteratur“ bzw. einen „Kinder- und Jugendbuch-Autor“ ausmacht. In seinen Texten werden durchaus ernste Themen verhandelt, es geht um Kinder, die existenzielle Dinge erleben, diesen meist aber doch auch immer noch eine heitere Seite abgewinnen. Der Autor selbst legt Wert darauf, sich nicht gezielt als „Kinderbuchautor“ zu verorten, ihm gehe es in erster Linie darum, eine Geschichte zu erzählen – und manchmal, so fügt Heinrich mit seinem trockenen Humor hinzu, sei diese Geschichte dann eben auch so, dass sie Kinder ebenfalls interessiere. Er wolle aber nicht durch eine Festlegung auf eine bestimmte Altersgruppe aus dem Fokus aller anderen Leser verschwinden.

Und dann legt er los mit der Vorstellung seiner Werke, die, wie die Reaktionen aus dem Publikum sehr schnell erkennen lassen, durchaus auch Erwachsene begeistern. Den Anfang macht sein erster Kinderroman, „Frerk, du Zwerg“ (2011). Heinrich erzählt, wie ihm auf einer Urlaubsreise die ersten Ideen dazu kamen, wie er auf Island die Illustratorin Rán Flygenring kennenlernte und so der Grundstein für diese Geschichte um einen Jungen, der sich sehnlichst einen Hund wünscht und eines Tages ein geheimnisvolles Ei findet, gelegt war. Um die Geschichte vorzustellen, spielt er den Buchtrailer ab, in dem Rán Flygenrings Hände dabei zu beobachten sind, wie sie in Windeseile ihre charakterstarken Figuren aufs Papier zaubern. Mit Hilfe des Buchtrailers wird auch das nächste Werk vorgestellt, „Die erstaunlichen Abenteuer der einzigartigen, ungewöhnlichen, spektakulären, grenzenlos mirakulösen Maulina Schmitt“ (2013-2014), das ebenfalls in Zusammenarbeit mit Rán Flygenring entstanden ist. Spätestens hier kommt wieder die Frage nach eventuellen Grenzen von Inhalten in Kinderbüchern auf, denn es geht um ein Mädchen, das die unheilbare Krankheit und schließlich auch den Tod der Mutter erleben muss. Heinrich selbst stellt die Frage danach in den Raum, was man Kindern zumuten und welche Themen man in Kinderbüchern verhandeln dürfe. Ähnliches gilt für die nächste Erzählung, die der Autor selbst vorliest, „Helm auf“ (2013). Es geht um einen kleinen Jungen, der sich eines Tages einen Helm aufsetzt, an seinem Kopf festkettet und beschließt, ihn erst wieder abzunehmen, wenn alles wieder so ist, wie es sein soll, wenn sein Vater wieder da ist – und sei es, dass er den Helm, unter dem es brennt und juckt und unter dem ihm die Haare ausfallen, bis ans Ende seines Lebens auf dem Kopf behalten muss. Erzählt wird aus der Sicht des Jungen, doch auch hier stellt Heinrich die Frage in den Raum, ob es sich deshalb schon um ein Kinderbuch handelt. Bei Lesungen mit Siebt- bis Neuntklässlern, so berichtet der Autor, diskutiert er mit seinen Zuhörer/-innen, ob sie diesen Text ihren jüngeren Geschwistern vorlesen würden.

Neben der Vorstellung seiner Bücher berichtet Finn-Ole Heinrich auch über seine Zusammenarbeit mit verschiedenen Musikern, die seine Texte vertonen und mit denen gemeinsam er musikalische Lesungen inszeniert. Zu „Helm auf“ gibt es zum Beispiel ein Live-Musikhörbuch mit neuer, kreativer Musik. Kinder reagieren darauf besonders offen und interessiert, berichtet Heinrich aus Erfahrung, und so bindet er die Kinder auch gleich mit in die Geräuschproduktion ein. Als Hörprobe spielt er ein Video zu seinem Text „Cliffhanger“ vor, das in Zusammenarbeit mit dem „Unsortierten Orchester Oldenburg“ entstanden ist. Zu sehen ist, wie die Musiker neben herkömmlichen Instrumenten unter anderem auch Holzfrösche, Thermoskannen und sogar einen Gameboy zum Musizieren einsetzen.

Den krönenden Abschluss der Lesung bildet ein bislang noch unveröffentlichter Text, den Finn-Ole Heinrich in ganzer Länge vorliest. Und spätestens jetzt wird noch einmal deutlich: Finn-Ole Heinrich liest nicht „gut“ – nein, er liest absolut großartig. Er liest rasant, manchmal so schnell, dass es bereits an Sprachkunst erinnert, dann wieder ernst, traurig oder ängstlich, und dabei verleiht er jedem seiner Charaktere eine ganz eigene Stimme. Es geht um zwei Jungen, den gerade elfjährigen Ich-Erzähler Henry und seinen fast zehnjährigen besten Freund Pekka. Pekka ist ein besonderer Junge, immer wieder fallen ihm neue Sachen ein, und obwohl er jünger ist als Henry, findet Henry es spannend, mit ihm befreundet zu sein. Eines Tages überredet Pekka Henry, mitzukommen, und obwohl der noch gar nicht so genau weiß, wo es hingehen soll, folgt er Pekka. Pekka ist auf der Suche nach seinem Vater, den er endlich einmal treffen möchte, und ehe er sich‘s versieht, sitzt Henry mit ihm im Bus nach Frankfurt. Doch kaum hat Henry sich an den Gedanken gewöhnt, dass sie einfach so in eine andere Stadt fahren, und glaubt, sie würden Pekkas Vater dort treffen, finden sie sich am Flughafen wieder. Pekka will weiter nach Marrakesch... Auch dieser Text hat also trotz seiner unterhaltsamen Handlung voller Situationskomik ein ernstes Thema, die Suche nach dem Vater. Und es geht um die Frage, was Kinder alleine alles schaffen können. Für den Ich-Erzähler Henry steht auf jeden Fall eines fest: Mit Pekka kommt man weiter als mit jedem anderen.

Zum Abschluss der Veranstaltung beantwortet Finn-Ole Heinrich noch einige Fragen und kommt dabei abermals auf die schwierigen Themen seiner Texte zu sprechen. Doch er berichtet, dass seine Geschichten bei Kindern in der Regel gut ankommen, wie er auf Lesungen merkt: die Kinder würden in der Regel sehr schnell darüber ins Gespräch kommen. Allerdings sei es auch manchmal schwierig, Texte wie „Maulina“ vorzulesen, denn es kann vorkommen, dass Kinder weinen oder sich ihm anvertrauen, weil sie ähnliches erlebt haben. Dann mache er sich als Autor durchaus Gedanken, da er von den Kindern aufgrund seiner Geschichten zwar als Ansprechpartner gesehen werde, aber solche Berichte als kurzzeitiger Besucher nicht auffangen könne. Er berichtet, dass er selbst meist nicht genau sagen könne, woher seine Ideen kommen; seine Motivation zum Schreiben sei, Dinge verstehen zu wollen und über die Welt nachzudenken. Am Anfang stelle er sich oft die Frage „Was wäre, wenn...“, und spiele dann ein Szenario durch. Doch er sei, fügt der Autor hinzu, auch froh, nicht alles selbst erleben zu müssen, was seine Figuren durchmachen. Und mit diesem Einblick in seine Arbeit geht ein spannender, unterhaltsamer, aber auch zum Nachdenken anregender Abend mit Finn-Ole Heinrich zu Ende.

 

Daniela Seyler