Bildungspolitisch ist der Schritt auch aus Sicht der GEW verständlich. Die Sozialbehörde öffnet die Kitas wieder zum „eingeschränkten Normalbetrieb“: Ab dem 18. Juni können wieder alle Kinder, unabhängig vom Alter oder ihrer Gruppe, in Hamburgs Kitas betreut werden. Um eine sichere Betreuung für alle Kinder zu ermöglichen, kann dabei eine eingeschränkte Betreuungszeit vereinbart werden. Mindestens 20 Stunden an drei Tagen werden verlässlich für jedes Kind angeboten.
Aus Sicht des Gesundheitsschutzes hält die GEW diesen Schritt allerdings für verfrüht. Senatorin Dr. Melanie Leonhard verwirft damit das von ihr miterarbeitete Lockerungs- und Öffnungskonzept der Kitas vom 30. April 2020.
Weder gibt es neue Erkenntnisse über eine geringere Infektionshäufigkeit bei kleinen Kindern, noch über die Ansteckungsgefahr, die von den Kindern ausgeht. Nach wie vor liegt nur eine Studie vor, die aussagt, dass es keine Erkenntnisse darüber gibt, dass sich das Infektionsverhalten von Kindern von dem Infektionsverhalten von Erwachsenen unterscheidet. Eine weiterer belegter Umstand ist die Tatsache, dass Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen wesentlich häufiger asymptomatisch erkranken, also den Virus in sich tragen, ohne Erkrankungssymptome aufzuzeigen.
Am 30.04. lag die Zahl der Neuinfizierten in Hamburg bei zwölf, am 08.06. bei zwei Neu-Infektionen (RKI Covid 19 Dashboard). Weil sich die Zahl der täglich Neuinfizierten in knapp sechs Wochen von zwölf auf zwei abgesenkt hat, sieht die Senatorin die Zeit gekommen, nun ab dem 18.06. alle rund 90.000 Kinder in den Kitas mit mindestens 20 Stunden und an mindestens 3 Tagen betreuen zu lassen.
Mit dieser Öffnung für alle Kinder wird den Eltern suggeriert, dass ihre Kinder in den Kitas genauso geschützt sind, wie in der häuslichen Betreuung. Der Aufenthalt in der Kita erhöht die Zahl der Kontakte- und damit auch der Infektionsmöglichkeiten um ein Vielfaches. Die von den Kita-Trägern errichteten Schutzmaßnahmen sollen in erster Linie die Kita-Beschäftigten schützen, damit diese nicht kurzfristig ausfallen.
„Jede Menschenansammlung darf nur unter Einhaltung des Mindestabstands stattfinden, in jedem Laden, im öffentlichen Nahverkehr und bei jeder Tätigkeit, bei der ein Mindestabstand nicht einzuhalten ist, bzw. körpernahe Tätigkeiten ausgeübt werden, muss mindestens ein Mund-Nase-Schutz getragen werden - nur in den Kindertagesstätten gilt dies nicht“, kritisiert der Kita-Experte der GEW Hamburg, Jens Kastner.
Der Umstand, dass auch schon vor Corona ein Fachkräftemangel in den Kitas vorherrschte, führt nun dazu, dass fast alle Beschäftigten wieder eingesetzt werden müssen und kaum noch Rücksicht auf ältere und vorerkrankte Kolleg*innen genommen werden kann. Dazu die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze: „Wir haben ein Arbeitsschutzrechtsgutachten durch Prof. Dr. jur. Wolfhard Kothe für den Umgang mit Risikogruppen unter den Kitabeschäftigten erstellen lassen, um den Personal- und Betriebsräten versierte Hilfe in die Hand zu geben. Damit können sie in der betrieblichen Auseinandersetzung für die besonders betroffenen Kolleginnen und Kollegen den Schutz erwirken, der ihnen nun von der für das Gesundheitsressort zuständigen Senatorin verstellt wird.“
Das Gutachten findet sich unter www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/was-die-kitaoeffnungen-fuer-risikogruppen-bedeuten/
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