Auf der Betriebsvollversammlung der Elbkinder-Kitas hielt Alessandro Novellino von der GEW Bund eine Rede, die ihr hier findet:
Liebe Kolleg*innen,
ich danke den kämpferischen Kolleg*innen aus dem Betriebsrat und dem GEW-Landesverband Hamburg herzlich für die Einladung. Es ist mir eine große Ehre und ein echtes Anliegen, heute bei euch auf der Betriebsvollversammlung der Elbkinder gGmbH zu sprechen.
Ich komme heute als Kollege und Teil einer Bildungsgewerkschaft, die an eurer Seite steht – in den Kitas, im Ganztag und in der Sozialarbeit.
Als GEW sehen wir eure qualitativ hochwertige tägliche Arbeit. Wir sehen was ihr, teilweise unter maximalen Belastungen, täglich leistet. Für die Kinder, für die Eltern und für die ganze Stadtgesellschaft.
Wir hören was ihr aus eurem Arbeitsalltag berichtet. Die Belastung, die ihr in den Kitas und im Ganztag erfahrt, ist enorm. Viele von euch arbeiten täglich unter Bedingungen, die kaum noch zu verantworten sind – weder gegenüber euch selbst noch gegenüber den Kindern und Familien, die ihr begleitet.
Wir fühlen den Frust und den Ärger und laden euch ein, gemeinsam mit uns die Umstände zu verändern. Denn Veränderung ist möglich und nötig, liebe Kolleg*innen.
Lasst uns klar sein, die Arbeits- und Rahmenbedingungen sind die Grundlage guter pädagogischer Arbeit. Wenn die Kita die „Wiege der Demokratie“ ist, liebe Kolleg*innen, dann ist der Ganztag ihr Garten. Beide brauchen die besten Arbeits- und Rahmenbedingungen, um die Menschen in eine demokratische und offene Gesellschaft aufzunehmen. Als Pädagog*innen wissen wir, dass die Kinder die zu uns kommen nicht nur den Übergang von der Kita in die Schule erleben, wir gestalten bereits davor den Übergang von der Familie in die Einrichtungen, in die Gesellschaft, liebe Kolleg*innen.
In einem Zitat heißt es „der Faschismus wächst auf den Ruinen sozialer Bewegungen“. Liebe Kolleg*innen, wenn wir verhindern wollen, dass wir in eine autoritäre Gesellschaft abfallen und in 2029 in einem bundesweiten politischen Albtraum aufwachen, müssen wir all unsere Anstrengungen darauf setzen, das Zusammenleben vor Ort, in unseren Kommunen, Städten und Gemeinden zu stärken und auf die Zukunft vorzubereiten.
Wir müssen uns dafür stark machen, dass Familien von Anfang an durch hochwertige und niedrigschwellige frühe Hilfen Unterstützung erfahren und in jedem Kiez Soziale Arbeit ansprechbar und nahbar ist. Denn viele Familien sind heute in Belastungssituationen, die nicht allein durch Bildung kompensiert werden können. Eine starke soziale Infrastruktur – mit multiprofessionellen Teams, mit niederschwelligen Angeboten, mit Zeit für Beziehungsarbeit – ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Kinder sich gut entwickeln können und dass ihr eurer Arbeit gerecht werden könnt. Auch das ist aus Sicht der GEW ein bildungspolitischer Auftrag. Und dafür fordern wir: mehr Ressourcen, mehr Personal, mehr Verlässlichkeit!
Wir müssen uns dafür stark machen, dass wir in den Kindertagesstätten Beziehungs- und, Bildungsarbeit leisten können. Heute reicht die Fachkraft-Kind-Relation oft nicht mal aus, um die pädagogische Qualität zu gewährleisten, die ihr leisten wollt und die die Kinder verdienen.
Wir haben heute an unterschiedlichen Stellen von den politischen Verantwortlichen gehört, wie bedeutsam eure Arbeit für eine demokratische Gesellschaft ist. Wie soll jedoch eine starke demokratische Gesellschaft aufgebaut werden, wenn im GBS-Bereich Kolleg*innen zusätzlich eine strukturelle Abwertung ihrer Arbeit erleben, durch armutsgefährdende Teilzeitverträge, fehlende Anerkennung von Qualifikationen, geringe berufliche Entwicklungsperspektiven – das alles sind Missstände, die nicht hinnehmbar sind, liebe Kolleg*innen. Das ist keine Randnotiz, das ist ein bildungspolitischer Skandal!
Denn was ihr jeden Tag leistet, ist weit mehr als reine Betreuung: Ihr seid pädagogische Fachkräfte, Entwicklungsbegleiter*innen, emotionale Anker für Kinder, oft auch für Eltern. Eure Arbeit ist komplex, verantwortungsvoll und hochprofessionell. Und deshalb muss sie endlich auch als solche anerkannt und abgesichert werden – tariflich, strukturell, gesellschaftlich.
Wir fordern eine verbindliche Personalrelation im Ganztag, die die tatsächlichen Anforderungen eurer Arbeit abbildet. Und wir kämpfen für existenzsichernde, faire Arbeitsverträge im GBS-Bereich – mit verlässlichen Stunden, der Anerkennung eurer Qualifikationen und Aufstiegsperspektiven. Niemand darf sich zwischen pädagogischem Anspruch und ökonomischem Überleben entscheiden müssen.
Liebe Kolleg*innen, wir verstehen den Ärger, den viele von euch empfinden. Und wir teilen ihn. Aber wir wollen euch nicht mit Verständnis abspeisen – wir wollen euch einladen, gemeinsam etwas zu verändern. Die GEW ist eure Gewerkschaft. Eine Bildungsgewerkschaft, die nicht nur Tarifverträge verhandelt, sondern Haltung zeigt. Die sich für eine Bildung einsetzt, die nicht nach Kassenlage organisiert wird, sondern nach den Bedürfnissen der Menschen – der Kinder, der Familien, und vor allem auch der Fachkräfte.
Wir haben zu oft genau gesehen, dass, wenn der politische Wille da ist, auch die finanziellen Mittel organisiert werden können. Wir wissen wie eine Volkswirtschaft funktioniert und wollen dem Märchen nicht mehr glauben, dass wir Kürzungen aushalten müssen, während wenige immer mehr bekommen. Wir wollen mit euch eine Gesellschaft gestalten, in der alle gut leben können. Eine Gesellschaft in der Gemeinschaft und Bildung inklusiv, offen und demokratisch sind.
Lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen – in der Kita, im GBS und in der Sozialen Arbeit. Lasst uns Druck machen – im Betrieb, in den Tarifrunden, in der Politik. Lasst uns laut sein für die Anerkennung, die ihr verdient – und für die Bedingungen, die eure wichtige Arbeit braucht.
In diesem Sinne: Danke für euren Einsatz. Danke für eure Stimme. Und danke für euren Mut, nicht stehenzubleiben. Bleibt unbequem!
Alessandro Novellino, Referent der GEW-Bund in der Jugendhilfe und der Sozialarbeit.
Mehr Informationen sowie aktuelle Publikationen zum Ganztag findet ihr hier.
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