Das tunesische Quartett für den nationalen Dialog ist mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die Organisationen wurden für ihren Einsatz für mehr Demokratie in Tunesien geehrt. Zu den Preisträgern zählt Gewerkschaftschef Houcine Abassi.
Das am 10. Dezember in Oslo gewürdigte tunesische Quartett, das in dem nordafrikanischen Land einen friedlichen politischen Prozess förderte, besteht aus dem Gewerkschaftsverband (UGTT), dem Arbeitgeberverband (UTICA), der Menschenrechtsliga (LTDH) und der Anwaltskammer.
Es wurde nach einer Reihe von politischen Morden und sozialen Unruhen im Sommer 2013 gegründet. Auf Initiative der größten Gewerkschaft UGTT kam ein nationaler Dialog in Gang, woraus eine neue Übergangsregierung aus ausschließlich parteiunabhängigen Experten wurde. "Zu einer Zeit, da das Land am Rande eines Bürgerkriegs stand, wurde daraus eine Alternative, ein friedlicher politischer Prozess", betonte das Nobel-Komitee.
Der 68-jährige Lehrer und Gewerkschafter Abassi, seit 1973 in der UGTT und seit 2011 Generalsekretär, brachte das Quartett in stundenlangen Vorbereitungstreffen zusammen. Ende Oktober 2013 saßen durch sein hartnäckiges Engagement Islamisten und Oppositionelle zum ersten Mal an einem Tisch. Ohne seinen Einsatz hätte Tunesien damals nach Einschätzung von Experten zerbrechen können.
Im November sprach Abassi auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin über die Rolle der Zivilgesellschaft beim Übergang zur Demokratie in Tunesien. Dort sei es im Dialog mit dem politischen Islam – anders als in Ägypten – gelungen, dass der Islam eine moderne Zivilgesellschaft akzeptiere und sich einem säkularen, demokratischen Staatsgebilde unterordne, sagte Abassi. Dies sei nur möglich gewesen, weil die UGTT als vom Staat unabhängige, fest in der Zivilgesellschaft verankerte Organisation akzeptiert worden sei. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die GEW unterstützen den UGTT seit Jahrzehnten.
Mit der Jasminrevolution in Tunesien 2010/2011 begann der sogenannte Arabische Frühling. Die Bewegung führte zum Sturz mehrerer Regime, konnte aber die großen Hoffnungen auf Freiheit nicht erfüllen. Als einziges arabisches Land brachte Tunesien seine Demokratisierung voran. Dazu trug die Bereitschaft der Islamistenpartei Ennahda bei, nach einem ersten Wahlsieg die Macht wieder abzugeben. Das stark von Europa beeinflusste kleine Urlaubsland am Mittelmeer geriet damit aber ins Visier militanter Islamisten. Auch die massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind nicht gelöst.
Foto: Konstantin Börner, Houcine Abassi auf einer Veranstaltung der FEW im November 2015