4.7.2015, Athen (Blog Teil 5/5)
Der Tag vor der Wahl. Beim Gang durch Athen begegnen einem überall Plakate mit „Nai“ (Ja) oder „Oxi“ (Nein). Einige Oxi-Plakate ziert ein wenig schmeichelhaftes Porträt von Wolfgang Schäuble. Wären die Plakate nicht und wüsste man nicht wie intensiv die Diskussionen in der Bevölkerung geführt werden, würde man meinen in Athen herrsche normaler Alltag . Im Gegensatz zum Besuch im Oktober 2013 wirken die Menschen sehr viel weniger frustriert.
Am Abend treffen wir unsere griechischen Kolleginnen und Kollegen, die uns im April letzten Jahres besucht haben und die wir im Oktober 2013 hier in Athen kennen gelernt haben. Sie bestätigen, dass seit den letzten Parlamentswahlen insgesamt mehr Hoffnung entstanden ist und insbesondere die junge Generation sieht Licht am Horizont. Schon auf dem Weg vom Hotel zum Monastiraki-Platz sprechen wir über die schwierige Situation. Sie erklären die Normalität in den Straßen damit, dass man sich die Schwere nicht ansehen lassen will und natürlich bringt auch die hohe Anzahl der Touristen eine andere Atmosphäre in die Stadt. Die KollegInnen wollen wissen, wie wir über die Situation denken, was hier in den Medien ankommt. Eine Kollegin erläutert, dass sie mit „Oxi“ stimmen möchte, weil sie nach über 5 Jahren harten Sparkurs und weiterem Niedergang der Wirtschaft am Abgrund stehen. Es sei aber keine Abkehr von Europa. Deshalb habe sie auch überlegt, mit „Ja“ zu stimmen, aber das erscheint ihr als „Verrat“ an Griechenland. Eine andere Kollegin macht deutlich, dass sie weitere Einschnitte in den Lebensstandard – bei dem schon jetzt stark gekürzten Gehalt für LehrerInnen – dann hinnehmen könne, wenn sie weiß, es wird etwas für die Generation ihrer Kinder dabei herauskommen. Die jetzige Sparpolitik durch die „Institutionen“ bietet keine Perspektive, deshalb wird sie mit „Oxi“ stimmen.
Um 0 Uhr klingelt bei einem Kollegen das Handy und er macht in einem Anflug von Galgenhumor alle darauf aufmerksam, dass man nun wieder die nächsten 60 € abheben könne.
2. und 3.7.2015, OLME-Kongress in Athen (Blog Teil 4/5)
Der Kongress setzt seine Diskussion nach der Mittagspause fort und für die internationalen Gäste ist es ein Kulturprogramm – Besuch des Akropolis-Museum - vorgesehen. Beim Abendessen erfahren wir, dass der Kongress noch nicht beendet ist. Ein Delegierter mit dem wir beim Abendessen sprechen, vermutet, dass es noch bis in den Morgen gegen 3 oder 4 Uhr gehen wird. In allen Gesprächen rund um den Kongress, ist die immer wieder diskutierte Frage: „Oxi“ (Nein) oder „Nai“ (Ja) zum Referendum. Am nächsten Tag finden außerdem die Wahlen für den neuen Vorstand von OLME statt, an dem die internationalen Gäste nicht teilnehmen. Für sie ist ein gemeinsamer Ausflug auf die Peloponnes geplant. Am Donnerstag wird tatsächlich bis in die Nacht diskutiert. Aber zu einer Resolution in Bezug auf das bevorstehende Referendum kommt es nicht. Es hätte sich eine Mehrheit für „Nein“ ergeben, aber dies hätte zu einer Zerreißprobe der Gewerkschaft geführt. Die Wahlen sind noch nicht ganz beendet, denn es standen zwar die Listen (nach Parteien organisiert) fest, die gewonnen haben, aber wer davon der oder die nächste Vorsitzende wird, ist noch nicht entschieden. Der Kongress ist beendet.
Enige der Delegierten gehen am Freitagabend zur Kundgebung der „Oxi“-Gruppe auf dem Syntagma-Platz, auf der auch Alexis Tsipras sprechen wird. Es ist eine sehr beeindruckende Versammlung. Der gesamte Syntagma-Platz ist bis in die Seitenstraße gefüllt. Es müssen schon mehrere Hunderttausend gewesen sein, um diesen Platz zu füllen. Obwohl es so voll ist, gelingt es den Platz am Rande halb zu umrunden. Die Stimmung ist entschlossen, aber nicht aggressiv.
Athen 2.7.2015, OLME-Kongress - Blog (Teil 3/5)
Der Kongress beginnt mit einer über einstündigen Verzögerung um 10.10 Uhr. Die Diskussion wird fortgesetzt. Gleich beim ersten Beitrag werden Propagandavorwürfe von einem Delegierten der Syriza-Partei gegen die KollegInnen der kommunistischen Partei gemacht und sofort ist die erhitzte Stimmung des Vorabends wieder da. Es kommt zu Zwischenrufen und der Kongress kann erst auf Antrag an die Geschäftsordnung in der Tagesordnung und Redeliste fortfahren. Vorwürfe von Delegierten der kommunistischen Partei an die jetzige Führung der Gewerkschaft OLME werden vorgebracht. Ein Delegierter der Democratia ist der Meinung, dass die Syriza-Regierung mit dem Schließen der Banken die Bevölkerung zu einem „Nein“ beim Referendum bewusst treiben will.
Die aufgeheizte Stimmung wird noch einmal durch den Beitrag einer Kollegin erhöht, die den lokalen (Bezirken) OLME-Gliederungen vorwirft, nicht genügend Beiträge an die Zentrale überwiesen zu haben. Delegierte ergreifen das Wort, ohne dass es ihnen erteilt wurde. Kurz vor der Konfusion kann das Präsidium die Delegierten zur Fortsetzung in der Tagesordnung bewegen. Noch ist nicht klar, wie eine gemeinsame Resolution aussehen soll.
Gegen 13 Uhr beginnt die Runde der Grußadressen aus den verschiedenen Gewerkschaften, deren VertreterInnen angereist sind. Die Delegierten können per Simultanübersetzung den Grußworten folgen. Die europäische Bildungsgewerkschaft ETUCE macht den Anfang und versichert den Delegierten die Solidarität in ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, ausreichend staatliche Bildung für die nachwachsende Generation und den Widerstand gegen die Troika. Grußworte der Gewerkschaften aus Serbien, Deutschland (s. unten), Italien, drei aus den verschiedenen Gewerkschaften in Frankreich, Portugal, Türkei, Spanien und Argentinien folgen. Die griechischen Kolleginnen und Kollegen bedanken sich mit viel Applaus und es geht mit einem gemeinsamen Gefühl von Solidarität in die Mittagspause.
Foto (Roland Stolze): OLME Präsident Themis Kotzifakis mit Anja Bensinger-Stolze
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