Der wissenschaftliche Mittelbau des Instituts für Bewegungswissenschaft der Fakultät 7 ‚Psychologie und Bewegungswissenschaft’ an der Universität Hamburg hatte für den 30. November 2016 zu einer Veranstaltung eingeladen, um über die Situation in der Lehre zu diskutieren (Statusgruppen, Betreuungsrelationen, Lehrverpflichtung, (Unter-)Besoldung).
Die Brisanz des Themas war im gut gefüllten Raum greifbar. Deutlich wurde: Die notorisch unterbezahlten, dabei systematisch über vertragliche Regelungen hinaus belasteten Lehrbeauftragten beginnen sich zu organisieren. Im solidarischen Bündnis mit den anderen prekär (befristet, abhängig…) Beschäftigten, folgte die gesamte Diskussion dem Bestreben, gemeinsame Zielsetzungen und Forderungen zu formulieren und zu artikulieren.
Der erste Teil dieser Informationsveranstaltung fand in Kooperation mit dem Fachschaftsrat des Instituts für Bewegungswissenschaft statt, um die Studentenschaft darüber aufzuklären, welche begrenzten Aufgaben Lehrbeauftragte, Qualifikanten und befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter überhaupt wahrzunehmen haben.
Am Institut für Bewegungswissenschaft wird über das gesamte Bachelor-Studium deutlich über 20% der Lehre durch Lehrbeauftragte gewährleistet, die jedoch ausschließlich für die Durchführung der Lehre honoriert werden. Darüber hinaus sich aufdrängende Arbeiten haben einen bedrückenden und vor allem nicht adäquat honorierten Umfang erreicht, wie z.B. die Datenverwaltung in Stine, Sprechstunden, Kommentierung von schriftlichen Arbeiten, Prüfungsbeteiligung, e-mail-Verkehr mit Studierenden etc..
Hieran angekoppelt muss auch das Betreuungsverhältnis hinterfragt werden; d.h. mit wie vielen anderen Studierenden muss sich ein Student eine hauptamtliche Lehrkraft teilen?
Bei der Frage nach der Kontinuität in Lehre und Studienberatung, sowie Betreuung von Abschlussarbeiten und mehrsemestrigen Projektseminaren rückt eine weitere Statusgruppe in den Fokus prekärer Lehrverhältnisse: die befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter des universitären Mittelbaus. Laut GEW-Erhebungen kommen bundesweit auf einen unbefristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter (WiMi) neun befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter.
Aus studentischer Perspektive kann kontinuierliche Beratung und Betreuung jedoch nur durch eine ausreichende Anzahl festangestellter WiMis und Professoren gewährleistet werden. Am Beispiel des Instituts für Bewegungswissenschaft sind dies zur Zeit 9 Stellen. Diese sehr kleine Stellenanzahl wird für Beratung, Prüfung, Betreuung und Begutachtung unterstützt durch lediglich 12 zeitlich befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter (Promovenden, Habilitanden). Demgegenüber ist die Zahl von 24 ‚freiberuflichen’ Lehrbeauftragten zwar nominell gleich groß, diese stehen jedoch außerhalb ihrer unmittelbaren Lehre nicht für studentische Betreuung zur Verfügung. Viele tun es dennoch, indem sie sich außerhalb ihrer honorierten Zeit engagieren und damit eine nicht unerhebliche Arbeitslast unentgeltlich mittragen!
Die Honoraranpassung für eine Lehrauftragsstunde (SWS) wurde jedoch seit 13 Jahren eingefroren und letztlich bei 40,-€ gedeckelt (Abbildung).
Insbesondere für diesen Punkt wurden auch Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zum zweiten Teil der Informationsveranstaltung eingeladen, die sich insbesondere an die Statusgruppe der Lehrbeauftragten richtete.
In Zusammenarbeit mit der Konferenz des akademischen Personals (KAP) und der GEW konnten Kollegen (Lehrbeauftragte und (befristete) wissenschaftliche Mitarbeiter) mehrerer Fakultäten erreicht werden
Die GEW legte eine Kalkulation der Honorierung von Lehraufträgen vor und zeigte damit, dass die aktuellen 40,-€ nach Aufgaben- und Arbeitszeitbereinigung de facto ein Honorar im Bereich des gesetzlichen Mindestlohns bedeuten. Seitens der GEW wird – bei exakter Berechnung des Arbeitsaufwandes pro zu lehrender SWS – eine angemessene Honorierung von mindestens 85,- € gefordert.
Die Referenten der GEW konnten einschlägige Auszüge aus Gesetzestexten (Hamburger Hochschulgesetz, Wissenschaftszeitvertragsgesetz etc.) präsentieren, die den hohen Anteil befristet angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter (90%) im Hinblick auf Konstanz und Qualität der Lehre problematisierten.
Die Informationen und Diskussionen führten zu zwei Petitionen, die mit Unterstützung des Wissenschaftlichen Personalrats (WiPR) an das Universitätspräsidium und die Wissenschaftsbehörde übergeben werden sollen. Im Wortlaut:
Petition der Lehrbeauftragten
„Alle Statusgruppen der Universität Hamburg, von den studentischen Hilfskräften über die TutorInnen und den akademischen MitarbeiterInnen bis zu den ProfessorInnen, haben in der Vergangenheit regelmäßig tarifliche bzw. an die tariflichen Erhöhungen angelehnte Lohnsteigerungen erhalten. Gleiches gilt für andere Lehrende im öffentlichen Sektor (Lehrerfortbildung, Schulbehörde, Volkshochschule etc.).
Auch angesichts wachsender Arbeitsbelastungen ist der nunmehr 13-jährige Stillstand unserer Honorare (Einfrieren des Lehrauftragsstundensatzes bei 40,- €) durch die Behörde für Wissenschaft und Forschung für uns längst nicht mehr nachvollziehbar und tragbar.
Wir fordern endlich eine faire und angemessene Bezahlung.
Wir schließen uns der Minimalforderung des Wissenschaftlichen Personalrates nach einer sofortigen Anpassung der Lehrbeauftragten-Honorare auf 60,- €/ SWS an und fordern die Wiederankopplung an tarifliche Anpassungen der übrigen Statusgruppen der Universität Hamburg“.
In der Folge der Informationsveranstaltung konnte bereits eine weitgehende Zustimmung zu diesen Forderungen erreicht werden. So haben bemerkenswerterweise auch alle Professorenkolleginnen und -kollegen bereits unterschrieben.
Des Weiteren wurden Maßnahmen zur Verbesserung des Organisationsgrades von Mittelbau und Lehrbeauftragten initiiert. Für die Zukunft darf fest damit gerechnet werden, dass sich der auch gewerkschaftlich organisierte Mittelbau im Bündnis mit Lehrbeauftragten formiert, um in konzertierten Aktionen auf sich aufmerksam zu machen!
Sportliche Grüße vom Aktionsbündnis GEW und Mittelbau Bewegungswissenschaft