Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen mit immer kürzeren Vertragslaufzeiten, unsicheren Berufsperspektiven, mangelnder Ausstattung der Arbeitsplätze und einer zunehmenden Arbeitslast. Seit 2010 setzt sich die GEW mit dem Templiner Manifest (www.templiner-manifest.de) für den „Traumjob Wissenschaft“ ein. 2012 wurde mit dem Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (www.herrschinger-kodex.de) aufgezeigt, wie jede Hochschule und jede Forschungseinrichtung für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen sorgen kann. In Hamburg wurde, auch auf Grund zunehmender Aktivitäten insbesondere an der erziehungs- und der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Hamburg, von Seite der Behörde eine AG „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ eingerichtet, die gesetzliche Änderungen sowie einen Code of Conduct für die Hochschulen auf den Weg brachte. Steter Tropfen höhlt den Stein. Heute leugnet niemand mehr die massiven Probleme. Verbesserungen werden in Aussicht gestellt – und erste Erfolge sind erzielt.
Etappensieg im Kampf gegen Befristungsmissbrauch: Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)
Die Kampagne für den „Traumjob Wissenschaft“ ist 2015 in eine entscheidende Phase getreten, da von den Regierungsparteien im Bund eine Novelle des WissZeitVG vorgelegt wurde. Dieses Gesetz regelt u.a. die sachgrundlose Befristung im Wissenschaftsbereich und wird von der GEW seit Beginn ihrer Kampagne für den Traumjob Wissenschaft kritisiert. Um den Gesetzgebungsprozess zu begleiten, erstellte die GEW einen eigenen Gesetzesentwurf und brachte ihn in die politische Debatte ein. Zugleich rief die GEW für den Herbst 2015 bundesweit zu einer Aktionswoche „Traumjob Wissenschaft“ auf. Mehr als 100 Aktionen bundesweit, staunende Gesichter über die schlechten Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals aber auch eine Menge Spaß und Kreativität – das war die Bilanz der Aktionswoche.
In Hamburg organsierte die GEW-Fachgruppe eine Veranstaltung zum Thema „Novellierung des WissZeitVG“. Fachgruppensprecher Dr. Jochen Meissner stellte die Intention des Gesetzes, aktuelle Entwicklungen und die GEW-Positionen zum Entwurf der Bundesregierung dar. Rund um eine Diskussionsveranstaltung der Konferenz des Akademischen Personals (KAP) mit Senatorin Katharina Fegebank gab es einen GEW-Informationsstand. An der Helmut-Schmidt-Universität wurde ein Infostand organisiert. Dies alles zeigte Wirkung.
Bei der Novelle hat der der Bundestag etliche Vorschläge der GEW aufgegriffen. So hat der Bundestag die sachgrundlose Befristung aus dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz gestrichen. Wer weder in einem Drittmittelprojekt arbeitet noch zur Qualifizierung beschäftigt ist, hat Anspruch auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Das neue Gesetz verlangt, dass die Laufzeit von Zeitverträgen dem Befristungsgrund entspricht: Bei Drittmittelverträgen ist die Projektlaufzeit auszuschöpfen, bei Qualifizierungsverträgen muss die Laufzeit angemessen sein. Auch wenn der Gesetzgeber der Empfehlung der GEW nach einer festen Untergrenze von drei Jahren nicht gefolgt ist: Willkürliche Kurzzeitverträge sind in Zukunft illegal!
Kritisch ist anzumerken, dass das Gesetz an vielen Stellen zu vage bleibt und mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet. Unter welchen Voraussetzungen eine Vertragslaufzeit angemessen, was eine wissenschaftliche Qualifizierung ist, werden die Arbeitsgerichte zu klären haben. Daher sind alle GEW-Mitglieder aufgerufen, sich beraten zu lassen und ihre gestärkten Rechte auch durchzusetzen.
Die Gesetzesänderung, die die Große Koalition auf den Weg gebracht hat, bleibt in vielen Punkten hinter den Forderungen der GEW zurück. Aber die Rahmenbedingungen für den Kampf um faire Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden sich verbessern. Somit ist das ein Etappensieg der GEW im Kampf gegen den Befristungsmissbrauch in der Wissenschaft.
Hochschulen in die Verantwortung nehmen: Umsetzung des Code of Conduct an den Hamburger Hochschulen
Mit dem Ziel der Verbesserung der Beschäftigungssituation hatten VertreterInnen der Hochschulen, der Behörde, der Gewerkschaften und Personalräte 2013 in einer AG „Gute Arbeit an Hamburgs Hochschulen“ eine Verständigung über eine Reihe konkreter Maßnahmen erzielt. Diese zielten zum einen auf gesetzliche Regelungen im Hamburgischen Hochschulgesetz (HmbHG), zum anderen auf einen Code of Conduct, d.h. eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hochschulen Die gesetzlichen Änderungen wurden mit der Novelle des Hochschulgesetzes im Sommer 2014 wirksam, die Regelungen des Code of Conduct wurden in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen integriert, die zwischen der Behörde und den Hochschulen vereinbart werden, sowie an einigen Hochschulen auch in den jeweiligen Akademischen Senaten behandelt und beschlossen. Auch nach dem Wechsel an der Spitze der Behörde im letzten Jahr – seitdem ist Katharina Fegebank Wissenschaftssenatorin – wird der Umsetzungsprozess von der Behörde begleitet, was auch dringend nötig ist. So ist weiterhin ungeklärt, wie viele der auf befristeten Stellen wahrgenommenen Daueraufgaben in eine unbefristete Beschäftigung überführt worden sind bzw. für wieviel Stellen dies konkret beabsichtigt ist. Hier wird die GEW weiter nachfragen. Aus unserer Sicht sind alle Aufgaben Daueraufgaben, außer im Einzelnen definierte Aufgaben wie Qualifizierung oder Drittmittelforschung. Erfreulicherweise finden weitere Treffen unter der neuen Staatsrätin Eva Gümbel statt, auch mit dem Ziel der Weiterentwicklung des Codes. Die GEW wird in der AG durch den Fachgruppensprecher und Mitglied des Personalrates für das wissenschaftliche Personal an der Uni Hamburg, Marc Hinzelin, vertreten.
Heiße Themen an der Uni Hamburg: LoMi-Mittel, Lehrbeauftragte, Personalentwicklungskonzept
An der Universität Hamburg sind es neben diesen bundes- und landesweiten Entwicklungen verschiedene „heiße“ Themen, die die Beschäftigten und den Personalrat bewegen. Ein Streitpunkt ist die Verwendung der Gelder aus dem Topf leistungsorientierten Mittelvergabe (LoMi-Mittel). In der aktuellen Praxis werden hieraus u. a. Kurzzeitstellen mit Vertragslaufzeiten von zwischen sechs und zwölf Monaten finanziert. Hier fordert die GEW, eine längerfristigere Beschäftigung sicherzustellen, z.B. durch Einrichtung eines zentralen Pools der jeweiligen Fakultät, um z.B. Promotionsstellen für grundsätzlich 3 Jahre (entsprechend § 28 Abs. 1 HmbHG) zu finanzieren. Dem „Workaround“ vieler Hochschulverwaltungen auch Promovierende nach §28,3 einzustellen und so Doktorandinnen und Doktoranden nicht in den Genuss der für sie geschaffenen neuen Regelungen zur Absicherung ihrer Qualifikationsarbeit (ein Drittel der Arbeitszeit) und der Mindestbeschäftigungsdauer kommen zu lassen, muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Ein weiterer Konflikt entzündet sich an einem Brief des Kanzlers der Uni Hamburg, in dem er von Plänen der Universitätsleitung berichtet, wegen Finanzierungslücken ggf. die Zahl der Lehrbeauftragten zu erhöhen, um so die Mittel für die Lehre zu „verbilligen“. Demgegenüber stellt die GEW fest, dass Daueraufgaben nicht durch Lehrbeauftragte, sondern auf Stellen wahrgenommen werden müssen, wie es das HmbHG seit seiner Novelle in § 28 Abs. 3 auch vorschreibt. Diese Dauerstellen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen tragen so dazu bei, verlässlichere Karrierewege in der Wissenschaft zu eröffnen. Sie müssen jedoch auch ausreichend Zeit für die Mitarbeit in akademischen Gremien, wissenschaftliche Weiterbildung und eigenständige Forschung vorsehen, für die Lehrverpflichtung muss deswegen noch unbedingt eine Obergrenze von 12 SWS festgesetzt werden. Werden im Ausnahmefall doch noch Lehrbeauftragte in bestimmten Bereichen eingesetzt, so fordert die GEW eine deutliche Erhöhung des Honorars.
Ein dritter Streitpunkt resultiert aus dem Personalentwicklungskonzept der Uni und dem bisher nicht ausbuchstabierten Verhältnis auf Instituts- und Fachbereichsebene zwischen unbefristeten Professuren und WiMi-Stellen für Daueraufgaben in Forschung und Lehre einerseits und andererseits den befristeten Promotions- bzw. Postdoc-Stellen. Bei deren Quoten müssen zudem die dauerhaft zur Verfügung stehenden Etat- von den zeitlich begrenzten Drittmitteln unterschieden werden. Nur wenn ein insgesamt ausgewogenes Verhältnis zwischen Qualifikations- und Dauerstellen besteht, wird das Einschlagen einer wissenschaftlichen Laufbahn nicht länger ein reines Glücksspiel sein und kann sich zu einer modernen Personalentwicklung mit kalkulierbaren Karrierewegen weiter entwickeln. Hier fordert die GEW, Mindestquoten an Dauerstellen unterhalb der Professur, also mehr Stellen für unbefristet beschäftigte wissenschaftliche MitarbeiterInnen, vorzusehen. Die genannten Konfliktpunkte wird die GEW weiter begleiten, den Personalrat in seiner Arbeit unterstützen und auch in die AG zum Code of Conduct einbringen. Auch dicke Bretter können gebohrt werden, wie die Erfolge der letzten Jahre zeigen.
Fredrik Dehnerdt (stellv. Vorsitzender), Jochen Meissner und Marc Hinzelin (Sprecher der FG Hochschule und Forschung)
Foto: Kay Herschelmann (GEW-Aktionswoche 2015)