Unter der „Neuen Rechten“ subsummieren sich verschiedene Gruppierungen, Institutionen und Publikationsorgane, deren Gemeinsamkeit in der Bezugnahme auf den völkischen Nationalismus liegt. Ihr weltanschauliches Spektrum reicht von nationalkonservativ, über nationalrevolutionär und nationalistisch bis zur Esoterik. Akteur*innen der „Neuen Rechten" inszenieren sich gern akademisch, schick und elitär, distanzieren sich augenscheinlich vom Nationalsozialismus und beziehen sich teilweise positiv auf Europa. Gerne und oftmals in widersprüchlicher Weise wer-den alternative Themen wie Umweltschutz oder Frauenrechte mit ihren eigentlichen antidemokra-tischen und antipluralistischen politischen Anliegen vermengt und geben diesen so einen progressiven Anschein. Der Übergang zu nationalistischen Bezügen, die sich offen in die Tradition des Nationalsozialismus stellen, ist jedoch fließend, inhaltlich wie personell, und die Kernelemente neurechten Denkens sind hinter der Fassade auch kaum neu, sondern stehen in der Tradition der so genannten Konservativen Revolution: die vermeintliche Bedrohung des ausgerufenen „Abendlandes“ und der „nationalen Identität“ durch den Pluralismus des Liberalismus oder "Überfremdung", aktuell durch Islam. Seit den frühen 2010ern gewinnt die Neue Rechte wieder an poli-tischem Einfluss und besetzt öffentlichkeitswirksam politische Themen. Eine zentrale Rolle nehmen im deutschsprachigen Raum u.a. das Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza mit dem Institut für Staatspolitik und dessen rechts-intellektueller Zeitschrift Sezession, das quasi-AFD-Organ Junge Freiheit oder auch die sich popkulturell gebende so genannte Identitäre Bewegung mit Aktivist*innen wie Martin Sellner oder Niels Altmieks ein.
Als Lehrende und Studierende aus verschiedenen Hochschulen nehmen auch wir gelegentlich Studierende wahr, die in Seminaren Standpunkte vertreten, die dieser neurechten Strömung zuzuordnen sind. Sie beziehen sich auf alte Werke aus der „konservativen Revolution“ in Deutsch-land, aktuelle neurechte Theorien aus Frankreich oder auch aus den Bereichen der Esoterik oder Religion. In den Konstruktionen ist häufig vom „christlichen Abendland“ oder einer „europäischen Kultur“ die Rede, welche verfremdet würde. Sie sehen einen „großen Austausch“ durch stärkere Migrations- und Fluchtbewegungen, sprechen von Parallelgesellschaften und dem „Untergang des Abendlandes“. Vor allem bei Themen wie Inklusion oder rassismuskritischer Bil-dungsarbeit treten die Meinungen dieser Studierenden besonders hervor. So werben sie für die Stärkung der Kleinfamilien über die politische Neutralität der Bildungssysteme bis hin zu offenem Elitendenken, welches auf einem rassistischen Weltbild und dem völkischen Nationalismus aufbaut.
Hierbei nutzen sie die bekannte Strategie die Hochschul-Dozent*innen als Vertreter*innen des Systems und damit als (links)-politisch tendenziös darzustellen und somit zu delegitimieren. Sie gehen nicht auf deren Standpunkte ein, sondern machen ihre eigene Agenda stark. Um neurechten Positionen im Seminar entgegenwirken zu können, scheint uns eine Auseinandersetzung mit den deren Theorien und Literatur dringend notwendig. Da neurechte Akteur*innen in anderen Teilen der Bundesrepublik aber über die inhaltliche Debatte hinaus auch Methoden der Ein-schüchterung von Kolleg*innen und die Durchsetzung von politischen Zielen mit Gewalt verfolgt, sind auch andere Abwehrstrategien zu diskutieren. Wir legen den Fokus dabei bewusst nicht auf die Symbole, Codes oder auch Strukturen, da hierzu bereits viel Material vorhanden ist. Stattdessen wollen wir uns mit entsprechenden theoretischen Bezügen auseinandersetzen, um in Lehrsituationen vermeintlich kritische Argumente zu kontextualisieren und ihnen entgegentreten zu können.
Die Veranstaltung ist aufgeteilt in einen Vortrag mit Diskussion zu den theoretischen Grundlagen und Bezügen der Neuen Rechten und einen Workshop zum Umgang mit der Konfrontation neu-rechter Ideologien im Hochschulalltag. Im ersten Teil wird der Historiker Volker Weiß zentrale Autor*innen und Schriften des neurechten Denkens vorstellen. Hierbei wird sowohl auf Akteur*innen des Antimodernen Diskurses Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts - wie Oswald Spengler und Carl Schmitt - eingegangen, als auch auf aktuelle Vertreter*innen und Organe des neurechten Spektrums - wie Götz Kubitschek und Ellen Kositza oder die Sezession -, um ideologische Kontinuitäten aufzuzeigen.
Der anschließende Workshop bietet die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, zu diskutieren und gemeinsam Handlungsstrategien im Umgang mit neurechten Positionen und deren Anhän-ger*innen im Hochschulkontext zu entwickeln. Die Leitung übernimmt das Mobile Beratungs-team gegen Rechtsextremismus Hamburg. Zu Gast außerdem Eva Grigori & Jerome Trebing, die in Österreich in der Politischen Bildung, Hochschullehre und Sozialarbeit tätig sind und Fallbeispiele einbringen und den Fokus erweitern: In Österreich hat die "Identitäre Bewegung" in mehreren Städten wiederholt Vorlesungen, aber auch Veranstaltungen von Studierendenver-tretungen angegriffen, so dass neue Umgangsformen und Sicherheitsvorkehrung Einzug halten mussten.
DIE IDEOLOGIE DER "NEUEN RECHTEN"
Vortrag von Volker Weiß,
am Samstag, 04.11.2017 von 18 - 20 Uhr
UMGANGSSTRATEGIEN MIT NEURECHTEN POSITIONEN
Workshop mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg
am Sonntag, 05.11.2017 von 12 - 16 Uhr
* Die Plätze sind begrenzt. Bitte vorab anmelden: workshop.anmeldung@gmx.net
Veranstaltungsort ist das 1910, Museum für den FC St. Pauli, In der Gegengerade. Am Millerntor.
Die Doppelveranstaltung wird veranstaltet von den Nachwuchswissenschaftler_innen in der Jungen GEW Hamburg
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