Die hohe Inflation hat 2022 trotz einer Steigerung der Tariflöhne von 2,7 Prozent zu einem Reallohnverlust von 4,7 Prozent geführt. Gleichzeitig haben viele Unternehmen das Fahrwasser der Preissteigerungen genutzt, um ihre Gewinne anzuheizen. „Die Inflation wird neben den hohen Energiekosten also auch von einer Gewinn-Preis-Spirale angetrieben.
Jetzt müssen die Unternehmen ihren Teil zur Krisenbewältigung beitragen: Die DGB-Gewerkschaften werden 2023 selbstbewusst und kämpferisch für etwa 11 Millionen Beschäftigte bundesweit neue Tarifverträge verhandeln. Sie gehen mit der Situation angemessenen Lohnforderungen und großen Erwartungen in diese Verhandlungen“, so Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla.
In Hamburg sind (Stand 2020) nur noch rund 24 Prozent aller Betriebe tarifgebunden. Hierzu sagte die DGB-Vorsitzende Tanja Chawla: „Durch Tarifflucht verdienen die Beschäftigten nicht nur weniger, sondern die Unternehmen verlieren auch deutlich an Attraktivität für die dringend gesuchten Fachkräfte. Denn die Datenlage zeigt: Tarifverträge sichern Beschäftigung, fördern die Entgeltgerechtigkeit und gestalten aktiv die Veränderungen der Arbeitswelt unter dem Stichwort Transformation. Insbesondere die Steigerung der Kaufkraft niedriger und mittlerer Einkommen stärkt den Konsum und damit die Wirtschaftsleistung unseres Landes.“
Die hohe Inflation verschärft die Gefahr in Einkommensarmut abzurutschen zusätzlich. Die Vorsitzende des Hamburger DGB Tanja Chawla und die DGB-Gewerkschaften erwarten, dass dieser gefährlichen Entwicklung ein Riegel vorgeschoben wird: „Hierfür braucht es kräftige Lohnerhöhungen und Entlastungsmaßnahmen, die nicht nach dem Gießkannenprinzip funktionieren, sondern wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Nur durch diesen Kit kann unsere demokratische Gesellschaft einer Spaltung entgegenwirken und soziale Gerechtigkeit hervorbringen“, macht die Hamburger DGB-Chefin deutlich.
Die Spitzenvertreter*innen der Hamburger DGB-Gewerkschaften unterstrichen heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Notwendigkeit einer stärkeren Tarifbindung und kräftige Erhöhungen der Tariflöhne und gaben einen Ausblick auf ein kämpferisches Jahr 2023.
Berthold Bose, Landesbezirksleiter Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Hamburg: „Eine Steigerung der Tarifbindung in Hamburg unterstützt die Existenzsicherung vieler gering entlohnter Kolleg*innen und ist eine Investition in den regionalen Handel. Seitens der EU werden nationale Strategien gefordert, um die Tarifbindung von aktuell 45 Prozent in Deutschland auf 80 Prozent zu steigern. Mit dem Instrument der Allgemeinverbindlichen Tarifverträge ist eine ganz konkrete Möglichkeit gegeben, um Tarifflucht einzugrenzen.“
Ina Morgenroth, Erste Bevollmächtigte IG Metall Region Hamburg: „Mit dem Tarifergebnis in der Metall- und Elektroindustrie im Zusammenspiel mit den staatlichen Hilfspaketen ist es uns gelungen, in einer äußerst herausfordernden Zeit, die Beschäftigten spürbar zu entlasten, Einkommen nachhaltig zu stabilisieren und die Kaufkraft zu stärken. Durch die Herstellung von Tarifbindung in bisher nicht tarifgebundenen Betrieben und anstehenden Tarifrunden in 2023 wollen wir noch mehr unserer Mitglieder mit solchen Tarifabschlüssen finanzielle Entlastung zukommen lassen. Darüber hinaus werden wir auch weiterhin Druck auf die Politik ausüben, um weitere Entlastungen für Bürger*innen zu erreichen.“
Jan Koltze, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Bezirk Hamburg/Harburg: „Wir haben im letzten Jahr wichtige Weichenstellungen zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen vorgenommen. Wir haben Tarifverträge abgeschlossen, die eine deutliche Entgeltsteigerung, gerade für die unteren Entgeltgruppen, unter Nutzung der durch die Politik ermöglichten Entlastungsbeträge vorsehen. Zum anderen haben wir für Entlastungen bei den in die Höhe schießenden Energiekosten gesorgt, um die Menschen zu entlasten, und die Arbeitsplätze zu sichern. Dort wo es Tarifverträge gibt, kommen die Menschen besser durch die Krise, darum müssen wir für eine höhere Tarifbindung sorgen. Wir arbeiten konsequent in Betrieben ohne Betriebsrat an der Installation von Betriebsratsstrukturen, und in der Folge dann an dem Aufbau von Tarifstrukturen.“
Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg: „Gute Arbeitsbedingungen sind untrennbar mit Tarifverträgen verknüpft, denn nur so können die Beschäftigten nachhaltig mit den Arbeitgebern über ihre Löhne, aber auch Urlaub etc. verhandeln und Verbesserungen erreichen. Zugleich müssen die Abschlüsse aber auch einen echten Mehrwert für die Beschäftigten ergeben, daher erwartet die GEW bei den kommenden Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst (TVöD bzw. AVH) und die Landesbeschäftigten (TV-L) deutliche Einkommenssteigerungen. Wie bedeutsam ein Tarifvertrag ist, zeigt sich aktuell beim GEW Warnstreik an der Internationalen Schule Hamburg (ISH), deren Leitung sich noch weigert, Tarifverträge abzuschließen mit der Folge, dass es dort seit einigen Jahren keine Gehaltserhöhung mehr gab.“
Alexander Kahl, Stellvertretender Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Hamburg: „Mitbestimmung in Zeiten von weiterhin steigenden Fachkräftemangel in der Baubranche ist unerlässlich. In unseren Branchen, wo bei Wind und Wetter gearbeitet wird, ist ein fairer Arbeitsmarkt das Fundament für gute Arbeit mit fairer Bezahlung. In einer Stadt der guten Arbeit brauchen wir dafür ein gutes hamburgisches Tariftreue- und Vergabegesetz. Dies wurde uns versprochen und bisher leider nicht geliefert. Wir werden unseren Bürgermeister und die Politiker*innen unserer Stadt an der Einlösung dieses Versprechens messen. In Zeiten von steigender Inflation, Unsicherheit an vielen Märkten und einer globalen Krise, sind Tarifverträge schon immer ein probates Mittel gewesen, Arbeitnehmer*innen vor Dumpinglöhnen und Arbeitslosigkeit zu schützen. Apropos Stadt, in unserem Aushängeschild Hagenbecks Tierpark lodert noch immer ein Feuer. Ein dringend notwendiger Tarifvertrag wird von Seiten der Parkleitung nach wie vor be- und verhindert. Dieser Zustand muss beendet werden! Wir blicken daher auf ein Jahr 2023 mit einigen Herausforderungen und ebenso Vorbereitungen auf die nächste Tarifrunde im Bauhauptgewerbe 2024, wo die oben genannten Themen sicherlich wieder auf der Tagesordnung stehen werden.“
Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hamburg: „Die Kolleginnen und Kollegen leisten einen unersetzlichen Dienst für die Sicherheit und den Zusammenhalt in unserer Stadt, das muss sich auch im Geldbeutel bemerkbar machen. Finanzielle Sorgen wirken sich negativ auf die Motivation der Einsatzkräfte aus, das dürfen wir nicht zulassen. Wir fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt, weil wir es wert sind.“
Tom Seiler, Gewerkschaftssekretär der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Hamburg: „Ab März verhandeln wir erstmals mit fast allen Unternehmen unseres Tarifgebietes gleichzeitig. Unter dem Motto ‚Gemeinsam geht mehr‘ werden wir erreichen, was unsere Mitglieder erwarten: Eine kräftige Entgelterhöhung für alle.“
Anne Widder, Gewerkschaftssekretärin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Region Hamburg-Elmshorn: „Für die Ernährungs- und Gastrobranche in Hamburg gilt: 2023 müssen die Löhne besonders stark steigen, damit die Menschen in Zukunft weiter ihre Rechnungen bezahlen können. Das bedeutet für uns, in den kommenden Tarifverhandlungen fordern wir ein Plus bei den Einkommen von mindestens 10 Prozent oder mehr. 2023 startet für die NGG mit Tarifverhandlungen für die Brauereien (z.B. Carlsberg Holsten-Brauerei) und die Süßwarenindustrie (z.B. Nestlé Chocoladenwerk) und verschiedenen Haustarifverhandlungen, z.B. beim Hamburger Hefewerk Ohly. Die Preise werden hoch bleiben, deshalb brauchen die Beschäftigten gute und dauerhafte Lohnerhöhungen. Wir rechnen damit, dass es durchaus zu Streiks kommen kann.“