In der FAZ wird Hamburg als modernes Bildungswunder gefeiert: „Vom Bildungsverlierer zur Spitzengruppe in 15 Jahren“ – eine Erfolgsgeschichte, von der andere Länder lernen sollen. Natürlich – wir begrüßen Verbesserungen einzelner Rankings und Indikatoren. Aber wie bei Hochglanzprospekten gilt – Licht an, und die Kratzer sind gut zu sehen. Denn wer genau hinschaut, sieht: Die Erfolgserzählung der Hansestadt hat zahlreiche Schwachstellen – viele davon immer wieder von der GEW Hamburg benannt:
Ja, Hamburg hat in manchen Vergleichsstudien zugelegt. Aber Rankings sind keine Realität, sondern Momentaufnahmen – und oft trügerisch. Hinter der glänzenden Statistik steckt ein Schulsystem, das ächzt. Lehrkräftemangel, steigende Arbeitsbelastung, überfrachtete Bildungspläne, zu wenig Beteiligung der Profession: Das alles findet in Jubelartikeln selten Platz.
Ein wachsendes Schulsystem ist kein Beweis für Qualität. Mehr Schulen, mehr Schüler*innen – das sagt nichts darüber aus, ob Bildung tatsächlich besser wird. In einer Stadt mit wachsender Armut verschärft sich die soziale Spreizung: Kinder in wohlhabenderen Vierteln profitieren weiterhin überproportional, während benachteiligte Stadtteile zurückfallen. Förderbedarf, Sprachdefizite und fehlende Fachkräfte – diese Probleme verschwinden nicht, nur weil die Statistik freundlich lächelt.
Noch absurder wird es, wenn ein allgemeiner Leistungsabfall als Erfolg verkauft wird. In bundesweiten Tests sind die Ergebnisse auch in Hamburg rückläufig – nur eben etwas weniger stark als anderswo. „Besser schlechter werden“ ist aber kein Konzept für Bildungsgerechtigkeit. Die GEW fordert: Qualität misst sich nicht an Platzierungen, sondern an Lernbedingungen, personeller Ausstattung und echter Chancengleichheit.
Hinzu kommt: Die neuen Bildungspläne wurden überhastet und ohne ausreichende Beteiligung der Lehrkräfte verabschiedet. Die Lehrerkammer wurde bei zentralen Entscheidungen schlicht übergangen – obwohl ihre Mitwirkung gesetzlich vorgesehen ist. Das Ergebnis: überladene Curricula, mehr Leistungsdruck, weniger Zeit für pädagogische Qualität.
Darüber hinaus fühlt sich der Vorsitzende der Lehrerkammer, Kai Kobelt, in dem Artikel der FAZ missverständlich wiedergegeben. Seine Aussagen lassen den Eindruck entstehen, er sehe das Hamburger Bildungssystem positiver, als er es tatsächlich tut. Kobelt stellte klar, dass die erzielten Erfolge durch Stress, Erschöpfung, Krankheit und Burnout bei vielen Kolleg*innen erkauft wurden. Die Ausstattung der Schulen sei zwar besser geworden, aber noch lange nicht ausreichend. Auch die Gebäudeerneuerung sei eine wichtige Maßnahme, ändere jedoch nichts daran, dass die Schulbedingungen insgesamt weiterhin schwierig bleiben. Wirklich stolz sei er derzeit nicht – auch wenn er die Fortschritte anerkennt, die vor allem durch das Engagement der Lehrkräfte ermöglicht wurden.
Ein blinder Fleck der Hamburger Bildungseuphorie bleibt die Überlastung der Beschäftigten. Lehrkräfte arbeiten längst weit über ihr Deputat hinaus – Korrekturen, Elterngespräche, Inklusion, Digitalisierung, Krisenmanagement: alles „on top“. Die Arbeitszeitstudie zeigt, dass viele Kolleg*innen regelmäßig an Wochenenden oder in Ferienzeiten arbeiten, um das Pensum zu schaffen. Auch das pädagogische und therapeutische Fachpersonal (PTF) trägt enorme Zusatzlasten – Betreuung bei Unterrichtsausfall, soziale Krisen, fehlende Unterstützung. Die Folge: Dauerstress, Erschöpfung und Frust. Solange das so bleibt, ist vom „Bildungswunder Hamburg“ vor allem eines zu spüren – die Müdigkeit derer, die es täglich tragen sollen.
Ja, Hamburg hat Fortschritte gemacht – aber wir fordern: weder Selbstverklärung noch rosarote Brillen! Wir müssen tiefer schauen, die Systemfehler benennen und echte Teilhabe, gute Arbeitsbedingungen und solide Finanzierung einfordern – damit aus einem medialen Modell nicht ein glanzloses Trugbild wird. Hamburg darf ruhig stolz sein – aber bitte erst, wenn die Gestaltung der Arbeit der Beschäftigten an den Schulen Grund zum Jubeln gibt.
Du willst eintreten? Herzlich willkommen!
Bild: Chat GPT Image

