Die Novemberausgabe der hlz, der Mitgliederzeitschrift der GEW Hamburg ist gerade erschienen. Hier steht die komplette Ausgabe auf unserer Homepage.
Unter anderem berichtet die hlz vom Hamburger Gewerkschaftstag der GEW:
Pay or go
Der zweite Hamburger Gewerkschaftstag der GEW stand im Zeichen des Kampfes gegen die Einkommenskürzungen, sprich Kürzung bzw. Wegfall des Weihnachtsgeldes
Hatte bereits zu Beginn unser Vorsitzender Klaus Bullan in seinem Rechenschaftsbericht die Auseinandersetzungen um die Einkommenskürzungen in den Fokus genommen, so untermauerte der anschließende Gastredner Heinz-Joseph Bontrup, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen und Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, mit einer sehr emotionalen Rede, warum unser Kampf gegen die Streichungen aus gewerkschaftlicher Sicht notwendig und richtig sei, aber eben auch ein wichtiges politisches Signal gegenüber der Mainstream-Politik der herrschenden Parteien darstelle. Diese seien für das Desaster verantwortlich. Ein Desaster, das sich direkt an den Zahlen der volkswirtschaftlichen Verteilungsrechnung ablesen lasse. Seit dem ideologischen Durchmarsch der neo-liberalen Kräfte sei die Lohnquote, der Anteil der Löhne am Volkseinkommen, ganz besonders in Deutschland drastisch zurückgeschraubt worden. Bontrup, der in diesem Zusammenhang die rot-grüne Koalition unter der Kanzlerschaft Schröder als hauptverantwortliche für die jetzige Misere geißelte – durch Steuersenkungen zugunsten der Einkommensbezieher aus Gewinnen und Vermögen seien dem Fiskus unter der Ägide Schröder allein 400 Milliarden entgangen –, nannte als einen der Mitverantwortlichen explizit den damaligen Arbeitsminister und jetzige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, der scheinbar immer noch der Auffassung sei, dass weitere Lohnkürzungen ein probates Mittel seien, die Krise zu bewältigen. Bontrup schloss unter dem Applaus der Delegierten folglich mit einer Solidaritätserklärung gegenüber unserem Willen, die geplanten Kürzungen nicht widerstandslos hinzunehmen.
Der Antrag des Geschäftsführenden Ausschusses (GA) „Hände weg vom Weihnachtsgeld“, der unseren Widerstand begründet und konkret zur Demonstration vor der Ersten Lesung des Besoldungsänderungsgesetzes aufruft, wurde ergänzt durch die Aufnahme der Finanzierungmöglichkeiten
durch u.a. Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Erhöhung der Erbschaftssteuer und Schaffung einer Finanztransaktionssteuer. Nicht Ausgabenkürzungen, sondern Einnahmeerhöhungen durch Steuererhöhungen bei den Krisengewinnlern und allen Profiteuren der neo-liberalen Politik der letzen Jahre – so der Tenor des Antrags – sei das Gebot der Stunde.
Prekariat an Schulenverhindern
Inhaltlich nicht völlig davon abgekoppelt war der nachfolgende Antrag des GA zu den prekären
Beschäftigungsverhältnissen an unseren Schulen zu sehen. Auch hier – in diesem Fall bei den Schwächsten – wird dem Marktkalkül folgend seitens der Behörde ein Lohndumping bei gleichzeitig unzumutbaren Bedingungen (Kündigung vor den Ferien etc.) durchgeführt. Und als ob dies nicht schon genug wäre, hat sich herausgestellt, dass die allermeisten dieser Verträge rechtswidrig waren.
Schulsenator Ties Rabe hatte im September bestätigt, dass die Deutsche Rentenversicherung die Rechtmäßigkeit der zwischen 2006 und 2010 an den Schulen abgeschlossenen Honorarverträge
untersucht habe. Insgesamt ging es um rund 2500 (!) Fälle an 300 Schulen. Soweit nämlich die eingestellte Kraft eine Aufgabe übernimmt, die mit hoheitlichen Aufgaben des allgemeinen Erziehungsauftrags der Schule in Verbindung zu bringen ist, darf die Honorarkraft nicht als ‚selbständig‘ fungieren. So müssen die Betroffenen ein „hohes Maß“ an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und pädagogischer Selbständigkeit erhalten, heißt es in dem von der Behörde in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Außerdem dürfen sie nicht in den Dienstbetrieb an der Schule eingebunden werden: Es ist also verboten, dass sie an Dienstbesprechungen, Fortbildungen, Betriebsausflügen oder etwa Klassenreisen teilnehmen. Ansonsten gelten formale Richtlinien: Die Aufgaben der Honorarkräfte müssen klar schriftlich beschrieben werden. Und es muss festgelegt sein, wie lang die Zusammenarbeit dauern soll. Die Schulen melden die ausgezahlten Beträge dem zuständigen Finanzamt - sofern die Summe 1500 Euro im Jahr übersteigt. Somit bleibt zu hoffen, dass dem in der Vergangenheit zu beobachtenden Wildwuchs an prekären Beschäftigungsverhältnissen nun ein Riegel vorgeschoben ist.
Die GEW fordert genau das, was die Behörde qua Rechtsgutachten nun selbst erfahren musste. Die GEW wird die Einhaltung dieser Vorgaben durch seine Personalräte überwachen. Nur wenn absolut sicher gestellt ist, dass jemand unabhängig vom Bildungsauftrag der Schule agiert, kann eine Honorarkraft beschäftigt werden. Konsequent zu Ende gedacht, heißt dies, dass in Zukunft die zur Verfügung stehenden Vertretungs- und Organisationsmittel (VOrM), die mittlerweile einen Umfang zwischen 600 und 800 Vollzeitstellen haben, der GEW-Forderung gemäß zu einem großen Teil für unbefristet eingestellte Lehrkräfte verwandt werden müssen.
Inklusion
Unter dem Spardiktat leidet auch die Inklusion. Durch die UN-Konvention ausgelöst haben alle Eltern von lernbeeinträchtigten und behinderten Kindern das Recht auf eine Beschulung in Regelklassen (§12 HambSchulG). Viele Kinder sind bereits dort angekommen, aber die Schulen sind alles andere als darauf vorbereitet und das, obwohl die Politik im Wahlkampf noch vollmundig erklärt hatte, dass man die Inklusion begrüße und alles dafür tun werde, um die Richtlinie umzusetzen. In der Behörde hat man ob dieser Herausforderung einen Querschnittausschuss gebildet, der u.a. die Aufgabe hat, Standards personeller und sachlicher Art zu entwickeln. Das, was bisher dabei herausgekommen ist, bedeutet eine deutliche Verschlechterung der Versorgung und übertrifft die Befürchtungen der Kritiker. Während in der Vergangenheit in Integrationsklassen (IR-Klassen) der Schlüssel 1,5 LehrerInnen-Stunden für jedes I-Kind bei max. 4 SchülerInnen galt, sollen nun mit der Hälfte der Stunden die gleichen Ziele erreicht werden. Es gebe, so Stefan Romey von der Fachgruppe Sonderpädagogik, weder Bildungspläne noch Prüfungsordnungen und der Bereich der Prävention sei völlig ausgeklammert. Dies in Verbindung mit der Streichung jeglicher Koordinierungsstunden führe – so der Tenor aller Akteure zu diesem Thema – zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen gerade an den Stadtteilschulen, die sich somit einem weiteren Belastungsfaktor gegenübersähen.
Die Fakten, wie im Antrag noch einmal deutlich zusammengefasst, seien auf dem Tisch. Unsere Forderungen seien also seit langem bekannt, nun käme es darauf an, so Stefan Romey weiter, „zu verdeutlichen, dass wir dieses Konzept nicht akzeptieren“.
Hortreform
Als Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit möchte man es begreifen, wenn es um die Sache
geht: Das Zusammenführen der Horte mit den Schulen, die perspektivisch die Kinder ganztägig
betreuen sollen. Aber naturgemäß gibt es bei den Beschäftigten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie dieser Übergang zu bewerkstelligen ist. In der Sache einig, dass eine Ganztagsschule die besten Voraussetzungen für ein pädagogisches Konzept bietet, spiegeln sich in den Fragen des Übergangs unterschiedliche Positionen. Diese fanden ihren Ausdruck in zwei Anträgen, die nicht direkt kontrovers waren, aber eine unterschiedlicher Akzentsetzung aufwiesen. Während der Antrag der Kita-Beschäftigten sich mehr um die Frage der Einbindung des Personals in die neuen Kollegien bemühte – man möchte schließlich nicht als Wurmfortsatz des LehrerInnenkollegiums betrachtet werden –, ging es der Fachgruppe
Grundschulen mit ihrem Antrag mehr um die Sorge, dass die pädagogische Arbeit darunter leiden könnte, wenn die Räumlichkeiten, die bekanntermaßen gerade an Grundschulen nicht unwesentlich in das jeweilige pädagogische Konzept eingebunden sind, durch Mehrfachnutzungen ihres ursprünglich angedachten Charakters beraubt würden. Für die nicht unmittelbar betroffenen Delegierten schienen die Unterschiede im Tenor der Anträge nicht unüberbrückbar. Der Antrag des GA, die Diskussion als Auftakt zu einer umfänglichen Auseinandersetzung zu nutzen und zu diesem Zweck noch in diesem Schulhalbjahr eine Konferenz zu diesem Thema auszurichten, wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Ro19
Nach Schluss der Antragsberatungen ließ das Präsidium eine Nachfrage zu, die sich auf einen Antrag bezog, der aus Zeitgründen an den Landesvorstand verwiesen worden war. Hierbei ging es um den Nichtabdruck eines LeserInnenbriefs, der sich nach dem Stand der Verkaufsverhandlungen der Immobilie erkundigte. Da die Verhandlungen immer noch nicht abgeschlossen sind, sah sich der Redaktionsleiter einer Abmachung mit dem GA gegenüber verplichtet, auf eine Veröffentlichung zu verzichten und hatte den LeserInnenbriefschreiberInnen dies vor Erscheinen der Zeitung mitgeteilt. Zwischenzeitlich hat der Vorsitzende Klaus Bullan die Mitglieder des Landesvorstands über den aktuellen Stand der Verhandlungen
informiert. Er wird den Landesvorstand nun auffordern, die GEW-Öffentlichkeit über den Stand der Verhandlungen in der Ausgabe der hlz, die der Landesvorstandssitzung folgt, zu informieren.
Friedenspolitik
Am Ende stand die Verabschiedung eines Antrages zur Friedenserziehung. Seit der Aufkündigung der Wehrplicht und damit Umstellung auf eine Berufsarmee unternimmt die Bundeswehr vermehrt Anstrengungen, ihren Einluss in den Bildungseinrichtungen zu erhöhen. Nicht ohne Grund also fordert die GEW die Fortsetzung ihres jahrzehntelangen friedenspolitischen und friedenspädagogischen Engagements. Hierzu gehörten vor allem, keine Jugendofiziere und WehrdienstberaterInnen in den Unterricht zu lassen und/oder sich an außerschulischen Veranstaltungen der Bundeswehr zu beteiligen. Abschließend heißt es
im Antrag: “Die GEW-Hamburg erklärt, dass sie auch weiterhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Hamburger Friedensbewegung unterstützt, Bestrebungen, Aktionen und Veranstaltungen, die der Umsetzung des o.g. Beschlusses dienen, unterstützt und auch selbst Veranstaltungen und Angebote hierzu erarbeitet.“
Abschiebung
Wie auf dem letzten Gewerkschaftstag, auf dem sich der Ausländerausschuss der GEW über einen Antrag für das Bleiberecht von Roma Familien in Hamburg eingesetzt hatte, stimmten die Delegierten einem neuerlichen Antrag zu, der sich gegen die nunmehr drohende Abschiebung richtete. Konkret heißt es: „Der Gewerkschaftstag stellt mit Unverständnis fest, dass alle 11 Petitionsversuche von Roma Familien (…) vom Petitionsausschuss abgelehnt wurden.“ Leider nutzte alles Protestieren nichts. Die Abschiebungen wurden entschieden und am 3.11. vollzogen! Ein trauriges Kapitel der in der Hamburg-Werbung doch immer herausgestellten Weltoffenheit der Stadt.
Jochen Geffers.