Die Hamburger Volkshochschule (VHS) beschäftigt insgesamt etwa 1650 Kursleiter*innen, darunter viele ›arbeitnehmerähnliche‹. Das sind die Kursleiter*innen, die mindestens die Hälfte ihres Einkommens aus der VHS-Tätigkeit bestreiten und deshalb in besonderer Weise von den Aufträgen der VHS abhängig sind.
VHS Fair – Forderungen für die Kursleiter*innen an der VHS Hamburg
Die GEW fordert daher gemeinsam mit den VHS-Kursleitungsvertretungen vom Senat, von der Bürgerschaft sowie der Behörde für Schule und Berufsbildung, der VHS die Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Folgende umzusetzen:
Für alle VHS-Kursleiter*innen soll gelten:
- Honorarsatz von 41 Euro pro UE von 45 Min, auch für die Kursleiter*innen des offenen Angebots
- Ausgleich des Mehraufwandes für Hybrid- und andere besonders aufwändige Kurse
- Honorar für Teilnahme an Konferenzen etc.
Zusätzlich fordern wir für arbeitnehmerähnliche Kursleiter*innen:
- Zuschüsse entsprechend den gesetzlichen Arbeitgeberanteilen für Sozialversicherungen (Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung), Mutterschutz und Unfallversicherung
- Urlaubsentgelt für 25 statt wie bisher 20 Tage
- Anspruch auf Bildungsurlaub
- Erstattung des Umsatzsteueranteils bei den Kursleiter*innen, die die Obergrenze von 22.000 Euro Jahreseinkommen überschreiten
- Ausfallhonorar bei Krankheit: 90 % für bis zu 6 Wochen
- Einbeziehung in das Hamburger Personalvertretungsgesetz
Der zusätzliche finanzielle Aufwand für faire Arbeitsbedingungen darf nicht durch Erhöhung der Teilnehmer*innenbeiträge finanziert werden, hier ist der Haushalt der Stadt gefragt. Der rot-grüne Senat muss sein Koalitionsprogramm Hamburg – Stadt der Guten Arbeit endlich umsetzen, gerade in den städtischen Betrieben! Die Umsetzung unserer Forderungen sorgt zum einen für faire Arbeitsbedingungen der Kursleiter* innen. Zum anderen sorgt sie dafür, dass die VHS mehr Nachwuchs an professionellen Lehrkräften gewinnen und die Qualität der Kurse steigern kann. Die VHS beklagt in ihrem Jahresbericht 2021 Nachwuchsprobleme bei den Kursleiter*innen – warum nur?
Kampagnenauftakt mit laustarker Kundgebung
Am 29. Juni 2022 versammelten sich mehr als 60 VHS-Kursleiter*innen zusammen mit einer Reihe Unterstützer*innen – deutlich mehr als die angemeldeten 30 Teilnehmer*innen – vor der VHS Hamburg Mitte in der Schanzenstraße zu einer bunten und lautstarken Kundgebung, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein erster schöner Schritt! Gespräche mit den Regierungsfraktionen sind aufgenommen und angebahnt. In Reaktionen in der Presse auf die Kundgebung sagte der zuständige Fachsenator Ties Rabe, dass es ja eine freie Entscheidung der Kursleitungen sei, ob sie angestellt oder freiberuflich arbeiten wollten. Ein Satz, der ein wenig an die Marie Antoinette zugeschriebene Aussage »Das Volk hat kein Brot? Dann soll es doch Kuchen essen!« erinnert. Rabe musste dann auch einräumen, dass die VHS keine geregelten Arbeitsverhältnisse für Kursleiter*innen bietet. Im Weiteren wies der Senator darauf hin, dass die Honorare an der VHS in den letzten Jahren stetig erhöht wurden. Das stimmt zwar, aber ein kurzer Blick in die Republik zeigt, dass an vielen VHS die Honorare höher liegen als in Hamburg (so z.B. in Potsdam oder Berlin). Die Hansestadt steht also keineswegs auf Platz zwei bundesweit bei den VHS Honoraren, wie die SPD laut NDR zu den Forderungen erklärte.
Sind ›arme‹ Städte und ihre VHS fairer und nachhaltiger in Sachen VHS Arbeitsbedingungen als Hamburg?
Ja, leider! Berlin und Bremen ›leisten‹ sich für ihre VHS einen angemessenen Schutz der arbeitnehmerähnlichen Kursleiter*innen: Zuschüsse für Sozialversicherung, Ausfallhonorar bei Krankheit, bezahlte Konferenzen usw. So berichtete auch ein 48 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 9-10/2022 Bremer Kollege auf der Kundgebung am 29.6. und übermittelte solidarische Grüße (siehe S. 50 in dieser hlz). Warum zieht Hamburg hier nicht nach, zumal die Hamburger rot-grüne Regierung in ihrem eigenen Koalitionsvertrag Hamburg – Stadt der Guten Arbeit vereinbart hat, »soziale, beschäftigungspolitische, umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Kriterien« bei der Entlohnung durchzusetzen? Das muss bei den städtischen Einrichtungen anfangen!
Bremse statt Lokomotive
Nils Hansen, schulpolitischer Sprecher der SPD Fraktion in der Bürgerschaft, wies laut NDR die Forderungen der Kursleiter*innen zurück. Das sei in der aktuellen Haushaltslage nicht darstellbar. Allerdings ist das kein inhaltliches Argument gegen die berechtigten Forderungen der Dozent*innen, sondern bedeutet nichts anderes als: »Dafür wollen wir kein Geld ausgeben!« Erstaunlich, dass die Regierungsfraktionen in diesem Bereich nicht ihrem eigenen Koalitionsvertrag und den darin enthaltenen Beschlüssen nach guter Arbeit folgen wollen. Schade, dass die VHS nicht als attraktiver Honorar- und Arbeitgeber für Nachwuchslehrkräfte aufgestellt werden soll. Und traurig, dass die Stadt in diesem Niedriglohnbereich der Erwachsenenbildung nicht als staatliche Lokomotive und Vorbild für viele noch ungeregeltere private Bildungsanbieter auftreten will. Die Kolleg*innen an der VHS hätten sich anderes gewünscht. Aber überrascht sind sie nicht, dass ihr vergleichsweise kleiner Bereich nicht auf der Agenda der Regierungsfraktionen steht. Und abhalten von weiteren Aktionen und Kämpfen um bessere Arbeitsbedingen lassen sie sich erst recht nicht!
Dirk Mescher, Geschäftsführer der GEW Hamburg
Der Artikel erschien in der hlz 9-10/2022, S.47 f.