Obwohl ein von der BSB in Auftrag gegebenes Gutachten der Professoren Rauer und Schuck den Mehrbedarf an sonderpädagogischer Förderung insbesondere an den Stadtteilschulen bestätigt hat, hat die Behörde ein neues zweistufiges Verfahren zur Diagnostik für die Bereiche Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung (LSE) seit Schuljahresbeginn von SonderpädagogInnen und GrundschullehrerInnen schwerpunktmäßig in den 4. Klassen durchführen lassen. Dieses Verfahren bedeutete, dass die bisherige, nach professionellen Maßstäben erfolgende Diagnostik durch das neue Verfahren abgelöst wurde, das einen erheblichen Mehraufwand* durch einen 11-seitigen Vorklärungsbogen nach sich gezogen hat, dessen Ausfüllen allein schon durchschnittlich 5 Stunden dauert.
Nun liegen die Zahlen auf Grundlage des neuen diagnostischen Verfahrens vor bzw. in der Schublade in der BSB.
„Wir fordern die Veröffentlichung der Zahlen. Wenn die stichprobenartig vorabgefragten Zahlen bestätigt werden, liegt die Anzahl von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf jeden Fall an Grundschulen deutlich über den Zahlen, mit denen die BSB rechnet und dementsprechend (zu wenig) LehrerInnen einstellt“, kommentiert die Vorsitzende der GEW, Anja Bensinger-Stolze.
Darüber hinaus lehnt die GEW das neue zweistufige diagnostische Verfahren selbst ab. Es ist völlig unverständlich, dass SchülerInnen mit bereits festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf erneut den gleichen umfangreichen Prozess durchlaufen sollen wie diejenigen, die noch nie überprüft wurden. Das ist auch Eltern und Erziehungsberechtigten nur schwer zu vermitteln!
Außerdem müssen die Schülerinnen und Schüler während der Durchführung dieses zusätzlichen Verfahrens auf die sowieso schon zu gering ausgestattete Förderung verzichten, weil die entsprechenden PädagogInnen ihre Zeit mit einer Feststellungs- und Zuschreibungsdiagnostik verbringen. Ein altes Verfahren, dass die Kinder stigmatisiert und nicht den nächsten Lern- und Entwicklungsschritt mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam definieren (Förderdiagnostik).
„Dieses Verfahren bedeutet einen Mehraufwand für die KollegInnen, die das einzelne Kind nicht einen Schritt weiter bringt. Wir befürchten, dass weder Eltern, noch Kinder und auch die Kolleginnen und Kollegen dies auf Dauer mitmachen werden und damit dem Senator in die Hände spielen, der diese Jahrhundertreform zum Nulltarif haben will. Statt dieser sinnlosen Testerei fordern wir eine personelle Ausstattung der Schulen, die sich an dem erfolgreichen Modell der Integrationsklassen orientiert. Inklusion braucht mehr: 550 Stellen in Hamburg. Wir haben für diese Forderungen Unterschriften gesammelt. Die mehreren Tausend Unterschriften werden wir am 12. Januar um 17 Uhr in der Schulbehörde übergeben“, so Bensinger-Stolze.
Außerdem findet am 8. Januar im Landesinstitut für Lehrerbildung (LI) eine Podiumsdiskussion des Bündnisses für schulische Inklusion mit Senator Rabe und Stefanie von Berg (Grüne) statt. Für unsere Forderungen demonstriert die GEW am 26. Januar gemeinsam mit dem Bündnis für Inklusion. Der Auftakt ist um 17 Uhr am Dammtor.
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