Soziale Schieflage und Unterrichtsqualität

28. September 2011Von: PresseredaktionThema: Bildungspolitik
GEW: Bildungsbericht 2011 setzt falsche Akzente

Auf einen bislang in der Debatte zu wenig beachteten Punkt in der Debatte um den Bildungsbericht weist der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Klaus Bullan, hin: "Der Bericht geht zwar auf die ungleiche Verteilung von Bildungschancen ein, erwähnt aber beim Thema 'Qualität von Schule und Unterricht' mit keiner Silbe die soziale Ungleichheit für das Lernen und beklagt stattdessen die unterschiedliche Qualität der Unterrichtsstunden der Lehrkräfte. Hier ist etwas faul: Mangelnde Schulerfolge der Benachteiligten und der Migrantenkinder liegen nachweislich nicht an mangelnder Unterrichtsqualität an den Schulen, die diese besuchen."

Auch der zweite Hamburger Bildungsbericht zeigt - wie der erste Bericht von 2009 - die bekannten Probleme: Bildungschancen und Bildungserfolge sind extrem ungleich verteilt. Wer arm ist, Migrationshintergrund hat und in sozial benachteiligten Stadtteilen lebt, hat kaum Chancen, das Abitur zu machen oder gar zu studieren. So machen beispielsweise im Bezirk Eimsbüttel doppelt so viele Schüler_Innen eines Jahrgangs Abitur als in Mitte (62,2 % zu 32,7 %) Während in Wilhelmsburg fast jeder zweite Schüler nur mit Hauptschulabschluss (29 %) bzw. ohne Abschluss (17 %) die Schule verlässt, sind es in Hamburgs Durchschnitt „nur“ 24,1 % (16,6 % Hauptschulabschluss, 7,5 % ohne Schulabschluss). Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besuchen überproportional häufig die Sonderschule, haben keinen Schulabschluss bzw. nur einen Hauptschulabschluss und sind im Berufsbildenden Bereich überwiegend in Berufsvorbereitungsmaßnahmen zu finden.

Klaus Bullan weiter: "Was nutzen die Schulinspektion, ein Qualitätsranking und das Qualitätsmanagement, wenn das zentrale Problem unserer Schulen – die Chancenungleichheit – nicht in den Fokus rückt, sondern im Gegenteil keine Rolle spielt? Dazu passt, dass der Bildungsbericht nicht mehr auf die Einteilung der Schulen nach sozialen Belastungsindizes (KESS 1-6) eingeht."

Das System der selbstverantworteten Schule jedenfalls sei nicht dazu in der Lage, die Gleichheit der Lebensverhältnisse in Hamburg sicher zu stellen, so Bullan: "Es wird immer schwieriger, hochqualifizierte Lehrkräfte in Hamburgs benachteiligten Randlagen zu finden oder an Schulen mit benachteiligter Schülerschaft. Hier muss die Regierung steuernd eingreifen."

Der Bildungsbericht 2009 enthalte immerhin noch eine Absichtserklärung („Die Bildungsoffensive ist angetreten, den engen Zusammenhang zwischen Schulleistung und Herkunftsmerkmalen zu lockern. Ob dies gelingt, wird im Rahmen künftiger Bildungsberichte aufmerksam beobachtet werden müssen“. Bildungsbericht 2009, S. 193." Davon sei im Bildungsbericht 2011 nichts mehr zu lesen.