Seit 2004 gibt es Studiengänge für Kindheitspädagogik. Die Tarifverträge für die Kita-Beschäftigten bilden diese Entwicklung jedoch (noch) nicht ab. Die Mehrheit der Kindheitspädagoginnen und ‑pädagogen wird nicht entsprechend ihrer akademischen Qualifikation bezahlt.
Seit April 2015 darf sich Kerstin F.* Kindheitspädagogin nennen und kann auf einen Bachelor-Abschluss im Studienfach „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ verweisen. Erworben hat sie diesen akademischen Grad an der Fachhochschule (FH) Potsdam. Allerdings bringt er ihr keinen finanziellen Vorteil. Die 24-Jährige arbeitet als Erzieherin in einer Kita in Berlin, verdient dort rund 2 300 Euro brutto – wie ihre Kolleginnen mit einem Fachschulabschluss. Der Träger bezahlt seine Erzieherinnen und Erzieher zwar angelehnt an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) der Kommunen und hat ihr dreieinhalbjähriges Studium als Berufserfahrung angerechnet, entlohnt sie aber nicht gemäß ihrer akademischen Ausbildung. Für die Bachelor- Absolventin bedeutet das rund 1 000 Euro brutto weniger im Monat. Bundesweit haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mittlerweile knapp 3 000 Fachkräfte, die als pädagogisches Personal in Kindertagesstätten arbeiten, einen Abschluss als Kindheitspädagogin bzw. -pädagoge. Im Vergleich zu den rund 354 000 an Fachschulen ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern ist dies zwar noch ein geringer Anteil, der aber stetig steigt – zwischen 2013 und 2014 hat sich die Zahl der Kindheitspädagogen verdoppelt.
Überall herumgesprochen hat sich das noch nicht, sodass Bewerberinnen und Bewerber mit Hochschulabschluss bei Vorstellungsgesprächen immer noch damit rechnen müssen, nicht als „vollwertig“ zu gelten.
Diese Erfahrung hat auch Anna Heinrich gemacht. Die Stuttgarterin stellte sich vor zwei Jahren als frisch gebackene Hochschulabsolventin an einer Kita in Baden-Württemberg vor. Als das Gespräch auf die Bezahlung gekommen sei, habe die Kita-Leiterin gemeint, da sie keine Erzieherin sei, könne man sie nur in Entgeltgruppe 3 einstufen, erzählt Heinrich; nach sieben Semestern Studium an der FH Freiburg wäre die Kindheitspädagogin mit einer Kinderpflegerin finanziell gleichgestellt worden. Die 34-Jährige wies das Angebot zurück. Heute arbeitet sie als Gruppenleiterin in einer kommunalen Kita, eingruppiert in Stufe 8 mit einem Monatsbrutto von knapp 2 700 Euro.
Arbeitgeber blockieren
Damit liegt sie unter der Gehaltsgruppe der Sozialpädagogen. Üblicherweise werden diese im Öffentlichen Dienst ab Entgeltgruppe 11 eingruppiert. Die GEW fordert auch für Kindheitspädagoginnen und -pädagogen eine ihrer akademischen Qualifikation entsprechende Bezahlung. Die Arbeitgeber lehnen das bislang ab (s. E&W 5 und 6/2015). Norbert Hocke, im GEW-Vorstand für Jugendhilfe und Sozialarbeit verantwortlich, sieht jedoch auch die Länder in der Pflicht. Da die staatliche Anerkennung der Studienabschlüsse und der Berufsbezeichnungen sich verzögert habe bzw. in einigen Ländern bis heute ausstehe, würden Kindheitspädagogen von manchem Träger als „Sonstige Beschäftigte“ sogar noch eine Stufe niedriger als Erzieherinnen eingruppiert, kritisiert Hocke.
Zudem sind die Arbeitgeber gegenüber den akademisch gebildeten Fachkräften nach wie vor zurückhaltend. So ergab eine Umfrage des Bundesfamilienministeriums 2013, dass sich 89 Prozent der Kita-Leitungen für die Betreuung der Kinder, die jünger als drei Jahre alt sind, eine Erzieherin bzw. einen Erzieher wünschen, nur 32 Prozent können sich auch eine Fachkraft mit Hochschulabschluss vorstellen. Die Erziehungswissenschaftlerin Kirsten Fuchs-Rechlin erwartet deshalb, dass sich an den vergleichsweise schlechten Verdienstchancen der Kindheitspädagoginnen so schnell nichts ändern wird. Eine höhere Bezahlung könnten diese Beschäftigten lediglich „in Verbindung mit Leitungspositionen“ erreichen.
Einen solchen Posten könnte auch Kerstin F. aufgrund ihrer Hochschulausbildung ausüben, doch nur theoretisch; aufgrund ihrer geringen Berufserfahrung sei dies illusorisch, sagt sie. Sie plant, noch in diesem Jahr mit ihrem Masterstudium zu beginnen. Als Erzieherin will sie danach nicht mehr arbeiten, sondern sich in der pädagogischen Beratungsbranche selbstständig machen.
Jürgen Amendt, Redakteur „Neues Deutschland“
*Name geändert
Studiendatenbank der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff): www.weiterbildungsinitiative.de; ÜFA-Projekt: www.projekt-uebergang.de; Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit: www.bag-bek.eu
Der Artikel erschien in der E&W 02/2016
Foto: Schiebepuzzle, GEW Hamburg