Am Beispiel des Schulbaus, einer der größten Baustellen im wahrsten Sinne des Wortes, kann gezeigt werden, wie die Priorität der Schuldenbremse und der mangelnden Einnahmen öffentlicher Mittel eine sinnvolle Raumgestaltung für die Schulen in Hamburg verhindert. Bildungspolitik wird Fiskalpolitik. [1]
Was für eine Gelegenheit, Schule nicht nur neu zu denken, sondern auch neu zu gestalten, böten die Veränderungen hin zu Ganztagsschulen und der Inklusion als pädagogisches Prinzip in Hamburg für den Schulbau! Die Schaffung vieler neuer Schulen und die grundlegenden Veränderungen der bestehenden Schulen, die jetzt Ganztagsschulen werden und allen Kindern und Jugendlichen überall Zugang verschaffen müssen, wäre die Möglichkeit gewesen, die Schule des 21. Jahrhunderts neu zu erfinden. Ebenso erfordert die Öffnung der Schulen zum Stadtteil (nicht umsonst heißen die Stadtteilschulen so) die Möglichkeit, Räume für Begegnungen zu schaffen, sei es für Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Sportereignisse und vieles mehr.
Für all diese wichtigen Aufgaben könnte der Investitionsstau auch im Bereich der Schulen eine günstige Gelegenheit sein, jetzt in großem Stil das in Jahrzehnten vernachlässigte Investieren in Hamburgs Schulen nicht nur quantitativ nachzuholen, sondern auch qualitativ zu neuen Ufern aufzubrechen. Leider ist das nicht absehbar.
Schulen werden Mieter – SchülerInnen werden Zahlen
Mit der Gründung des Sondervermögens Schulbau Hamburg 2010 sollte das Zaubermittel zur kostengünstigen Sanierung gefunden sein. Ein an der Finanzbehörde angesiedeltes Unternehmen übernimmt die Aufgaben der Gebäudeverwaltung und erhält von der Schulbehörde eine Miete. Zugleich wird der Raumbedarf pro Schüler herabgesetzt. Die frei werdenden Räume können vermietet und freiwerdende Schulgebäude verkauft werden. Die Auslagerung des Schulbaus zum 1. Januar 2010 in das Sondervermögen Schulbau (SV SchuB) hatte noch die frühere schwarz-grüne Landesregierung auf den Weg gebracht. Es ist seitdem wirtschaftlicher Eigentümer aller für schulische Zwecke genutzten Grundstücke und Gebäude der staatlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Die Schulen sind als Anlagevermögen mit den zum Stichtag geltenden Buchwerten in das Sondervermögen eingebracht worden.
Damit der gesamte Schulbau in Zukunft noch kostengünstiger wird, gibt es seit 2013 eine Neuorganisation des „Sondervermögens Schulbau Hamburg“. Ziel ist es bei Sanierung/Neubau und Unterhaltung drastisch zu sparen. In der Behördensprache: „Ziele der Neuausrichtung im Schulbau sind eine effizientere Wahrnehmung der immobilienbezogenen Bau- und Bewirtschaftungsaufgaben und ein effektiverer Einsatz öffentlicher Mittel.“
Das „Sondervermögen Schulimmobilien“, in das die Gebäudeverwaltung der Schulen ausgegliedert wurde, ist jetzt für den Schulbau und die Instandhaltung zuständig. Zur Finanzierung von Sanierung und Neubau nimmt es Kredite auf. Es generiert Einnahmen, weil es als Besitzer der Schulgebäude Miete von den Schulen für die genutzten Räume verlangt, deren Höhe nach Quadratmeterfläche und standardisierten Kostenmieten entlang von Gebäudeklassen berechnet werden. Nicht durch die Schulen genutzte, weil nicht bezahlbare Flächen kann das Sondervermögen vermieten bzw. verkaufen. So ist bereits ein Wettbewerb um Filetstücke in guten Hamburger Lagen entbrannt und Schulhöfe werden verkauft, um darauf Wohnungen zu errichten. Schule, wie wir sie bisher kannten, ist damit ans Ende gekommen.
Die Schulen treten in ein Vermieter-Mieter-Verhältnis ein, mit allen Konsequenzen. Alle Schulen sind inzwischen von externen MitarbeiterInnen vermessen worden, um zu ermitteln, ob die Schulen mehr Fläche haben, als ihnen aufgrund der SchülerInnen-Quote von zwölf Quadratmetern zusteht. Das führt dazu, dass jeder Quadratmeter Fläche an Schulen ausgewiesen und ggf. herausgegeben werden muss. Nicht die Bedürfnisse der SchülerInnen an Raumfläche für ihr Lernen und Leben in der Schule, sondern der Sparzwang diktiert, in welchem Raum Schule stattfinden kann. Das wird in den Schulen verstärkt dazu führen, dass sie bei ihrer Beteiligung am Schulbau angesichts der Mietzahlungen wenig großzügig bei der Flächenplanung vorgehen werden und ebenso bei der Ausstattung. Schon jetzt zeigt sich, dass Küchen und Essräume unter Sparzwang geplant werden. Statt Produktionsküchen werden überwiegend Aufwärmküchen geplant, jeder Quadratmeter zusätzlicher Fläche für Essräume fehlt an anderer Stelle oder muss zusätzlich von der Schule bezahlt werden. Es wird mit 1,2 Quadratmetern pro SchülerIn beim Essplatz und mit dem Essen im Drei-Schicht-Betrieb gerechnet.
Das Musterflächenprogramm für den Neubau von Schulen sieht räumliche Mehrbedarfe für Ganztagsschulen nur völlig unzureichend und für die Inklusion gar nicht vor. So ist für „den Bereich der Teamarbeit und der Kommunikation pro Lehrer 1 qm angesetzt“ (Musterflächenprogramm). Hinzu kommt, dass das Musterflächenprogramm „keinen Anspruch auf sofortige bauliche Veränderungen in den Schulen aus(löst). Anpassungen können nur langfristig im Rahmen von Zu- und Neubauten und von größeren Sanierungsmaßnahmen erfolgen.“ Je nach Platz auf der Prioritätenliste müssen Schulen u.U. bis zum Jahr 2027 warten, um dem Musterflächenprogramm entsprechende Räumlichkeiten zu erhalten.
Provisorien auf Jahrzehnte
Laut Berechnungen des Landesrechnungshofs gibt es einen Sanierungs- und Neubedarf an Schulgebäuden in Hamburg von mehr als vier Mrd. Euro. Der Senat hat beschlossen, bis 2019 ca. zwei Mrd. Euro in etwa gleichen Teilen in die Sanierung und den Neubau zu investieren. Damit wäre dann die Hälfte des Bedarfs der Schulen in Hamburg gedeckt. Die folgenden zwei Mrd. Euro sind bis 2027 in Aussicht gestellt. Bis 2019 sollen mehr als 1.600 Unterrichtsräume und 170 Kantinen gebaut werden. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wegen steigender SchülerInnenzahlen und schnellerem Ganztagsschulausbau als prognostiziert diese Vorhaben nicht bedarfsgerecht sind. Hinzu kommt, dass viele Investitionen in Schule bis 2027 aufgeschoben werden – mit Provisorien, Baumaßnahmen und unzureichender räumlicher Situation müssen die Schulen also noch weitere vierzehn Jahre leben. Noch schwerer ist das Problem zu lösen, wie angesichts der durch den Senat selbst befürworteten Schuldenbremse und der Haushaltsdeckelung die Investitionen in Schule finanziert werden sollen.
Selbst diese riesigen Investitionsvorhaben stehen unter dem Sparzwang der Regierung. Neben dem Lernen in mobilen Containern, die als Klassenräume genutzt werden und in denen heute bereits 10.000 Hamburger SchülerInnen lernen, sind die Einsparung von Schulflächen und die Reorganisation der Gebäudeverwaltung die Hebel, um Schulbau billig zu machen. Bei der beschlossenen „Neuausrichtung von Bau und Bewirtschaftung der staatlichen Schulimmobilien“ werden pro Schüler zwölf Quadratmeter Fläche kalkuliert, fünf Quadratmeter pro Schüler an Schulhoffläche. Das bedeutet eine Reduzierung der Flächen an Hamburgs Schulen gegenüber dem heutigen Stand von ca. 10%.
Bildung braucht Raum
Einerseits begrüßte die GEW, dass erstmals ein umfassender konkreter Plan für Bewirtschaftung, Unterhaltung und Sanierung der Hamburger Schulen entwickelt wurde, bei dem konkrete Zeitpläne und der Einsatz finanzieller Mittel relativ detailliert vorgelegt werden. Andererseits stellte sie fest, dass zur Euphorie dennoch kein Grund besteht. Zu lange sind Investitionen in den Schulbau in der Vergangenheit ausgeblieben, als dass nun große Schritte in die richtige Richtung erwartet werden könnten. Finanz- und Schulbehörde haben selbst angemerkt, dass der „Sanierungsstau noch Jahre bestehen bleibt.“ Der ganz überwiegende Teil der notwendigen Baumaßnahmen wird viele Jahre auf sich warten lassen, auch weil zu den Jahresangaben der Schulentwicklungsplanung realistisch zwei bis drei Jahre für konkrete Bauplanungen bis zur Inbetriebnahme hinzugerechnet werden müssen. Es wird vom Senat also erwartet, dass ein großer Teil der Schulen noch über viele Jahre in „Provisorien“ und Notlösungen verharren muss. Die uns anvertrauten jungen Menschen sind aber keine „Provisorien“, sie haben jetzt Anspruch auf umfassende Bildung in einem angemessenen lernförderlichen Umfeld. Davon kann an sehr vielen Schulen auf absehbare Zeit keine Rede sein. Die GEW fordert daher, den Mitteleinsatz in den nächsten Jahren deutlich zu erhöhen.
Schon heute ächzen viele Schulen unter den Bedingungen räumlicher Enge. Der Weg, der beim Schulbau in Hamburg beschritten wird, lässt befürchten, dass SchülerInnen und Personal an Hamburgs Schulen in Zukunft noch enger zusammenrücken müssen.
Referat B Bildungspolitik und Referat C Bildungsfinanzierung
Foto: Christopher Nobel / www.pixelio.de
[1] Siehe: Schulbau in Hamburg, GEW Hamburg, 2013