Lernen mit Apps & Co.

18. November 2014Von: WebredaktionThema: Bildungspolitik
JMG / pixelio

Digitale Medien öffnen neue Wege für das schulische Lernen. Darin waren sich während der GEW-Konferenz „Erfolgreich mit Neuen Medien! – Was bringt das Lernen im Netz?“, die Ende September in der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stattgefunden hat, alle einig.

 

Der Medienpädagoge Michael Kaden aus Potsdam hob in seinem Vortrag hervor, dass digitale Medien längst zum Alltag der Schülerinnen und Schüler gehörten. Inzwischen besäßen 72 Prozent der Jugendlichen ein Smartphone – und die Zahl werde weiter steigen, so der Ländervertreter für Medienpädagogik im Schulausschuss der Kultusministerkonferenz (KMK). Der Einstieg in die digitale Welt erfolge bereits im Grundschulalter. Das sei eine große Herausforderung für Pädagoginnen und Pädagogen. Kaden empfiehlt, mit den Heranwachsenden klare Regeln zu verabreden, was akzeptiert werde – und was nicht.

Franz Josef Röll, der an der Hochschule Darmstadt Neue Medien und Medienpädagogik lehrt, betonte die großen Chancen für Schulen. Er zeigte ein Foto, das junge Männer, dicht gedrängt hinter einem Absperrgitter, abbildet. 1000 Jugendliche harrten dort mehrere Tage aus. „Es ging um das iPhone 6, unfassbar“, sagte der Soziologe. „Können Sie sich vorstellen, dass Schülerinnen und Schüler sechs Tage auf den Unterricht warten?“ Das Publikum lachte, doch Röll fügte hinzu: „Die Potenziale sind da. Warum nutzen wir sie nicht?“ Durch das Web 2.0 wüchsen Kinder in einer ganz anderen Lebenswirklichkeit auf. Der Hypertext ermögliche ihnen, die Inhalte auszuwählen, die sie als spannend empfinden. Außerdem seien Jugendliche es gewöhnt, sich an Prozessen zu beteiligen und sich selbst im Netz Ausdruck zu verleihen. „Ich poste, also bin ich“, macht deutlich, wie zen­tral die Präsenz im Netz für junge Menschen ist.
Das Problem: „Schule kann damit nicht umgehen“, stellte Röll fest. Sie versuche zu vereinheitlichen, alles gleich zu machen. Die Lehrkräfte setzten stark auf Erklärungen. Wissen werde oft auf Überprüfbarkeit reduziert. „Deshalb brauchen wir neue Formen des Lernens“, forderte Röll. „Die Zeit des Lehrers als Universallexikon ist vorbei.“ Statt Frontalunterricht abzuhalten, sollten Lehrkräfte über Neue Medien die Eigenständigkeit und Kreativität der Schülerinnen und Schüler fördern.

Risiken im Netz

Eine ähnlich hohe Bedeutung maß der Medienpädagoge Bernd Schorb, Universität Leipzig, den „Social Networks“ bei. Diese seien heute wichtige Lebensräume, in denen Jugendliche ihre Identität entwickeln. Gleichwohl warnte der Experte vor Gefährdungen und Diskriminierungen in den Social Networks – Cybermobbing oder sexuelle Belästigung zum Beispiel. Offene Netze, so Schorb, könnten nicht nur die Persönlichkeit der Heranwachsenden beschädigen, sondern ihre Daten auch ökonomisch oder politisch zweckentfremden. Deshalb gehörten Themen der digitalen Überwachung und der NSA-Skandal unbedingt in den Unterricht.

In dem dreistündigen Workshop „Lernen mobil“ präsentierte die Gymnasiallehrerin Ricarda Dreier von der AG Jugendliteratur und Medien der GEW (AJuM) einige Praxisbeispiele. Ihrer Meinung nach seien Computerräume viel zu weit von den Klassen entfernt, wenn „man mal schnell im Unterricht mit den Schülern ein Video auf YouTube anschauen möchte“. Eine Alternative laute „bring your own device“. Dahinter steckt die Überlegung, dass die meisten Mädchen und Jungen sowieso Smartphones oder Tablets mit in die Schule nehmen. Warum sollten sie die dann nicht auch sinnvoll einsetzen? „Der Vorteil: Es geht sehr schnell und sehr einfach“, so Dreier. Das eigene Medium sei den Jugendlichen vertraut. Dabei müsse die Lehrkraft jedoch einige ­Probleme im Blick behalten: zum Beispiel den ­Datenschutz.

Egal, ob sie bei YouTube Videos heraussuchen oder selbst welche drehen, Apps im Unterricht vorstellen oder ein virtuelles Buch schreiben: Lehrerin Dreier lässt ihren Schülerinnen und Schülern viel Freiheit, wie sie ein Thema bearbeiten wollen. Ihrer Meinung nach müsse sich allerdings die festgefahrene Rolle der Lehrkraft ändern – weg von der Pädagogin, die alle Fäden in der Hand haben will, hin zum Moderator der Lernprozesse.

Fast alle Studien hätten ergeben, berichtete Prof. Stefan Aufenanger von der Universität Mainz, dass Lehrkräfte den Einsatz von Tablets im Unterricht positiv bewerten. Damit verbunden sei, dass sich die Lernkultur verändere, so Aufenanger. Die Schulen müssten sich also genau überlegen, was sie mit dem Einsatz Neuer Medien erreichen wollen. Wichtig sei auch, dass die Lehrkräfte genug Zeit haben, die Geräte kennenzulernen, sich mit der Technik vertraut zu machen – und zwar lange bevor mit Neuen Medien in den Klassen gearbeitet wird.

Medien nicht um jeden Preis

 

„Medienpädagogik bedeutet aber nicht den Einsatz digitaler Medien um jeden Preis. Auch das haben die Mainzer Diskussionen ergeben“, stellte Ilka Hoffmann, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule der GEW, klar. Medienbildung sei Bildung mit und Bildung über Medien zugleich. Auf jeden Fall gehörten Wissen über Medien, Handlungs- und Gestaltungskompetenz sowie der sichere Umgang mit den Risiken Neuer Medien zum Bildungsauftrag der Schulen. Hoffmann unterstrich, dass die öffentliche Hand in den Schulen moderne Technologie bereitstellen, sprich auch finanzieren müsse. Den Geldbeutel der Eltern damit zu belasten, schaffe nur wieder soziale Ungerechtigkeit.

Kathrin Hedtke, freie Journalistin

 

Dieser Artikel erschien in der  E&W 11/2014

 

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