Die Hamburger Stadtteilschule Stellingen bietet einen Willkommenstag für geflüchtete Mädchen und Jungen an. Damit ist sie Teil der bundesweiten Aktion „Schüler helfen Flüchtlingen“ des Fördervereins „Das macht Schule“.
Rijan blickt interessiert zu seinem Mannschaftskapitän Tamsir empor. „Seid ihr gut?“, fragt der Elfjährige den Klassensprecher der 9e. Der lächelt und stellt dem jungen Albaner langsam und in einfachen Sätzen die Qualitäten seiner Klassenkameraden am Ball vor. Alle tragen eine grüne Schärpe. Zum heutigen Fußballturnier treten Tamsir und seine drei Mitschüler aus Stellingen in einem Team mit drei jungen Flüchtlingen an. „Ich freue mich so, dass ich heute hier sein darf und neue Freunde finden kann“, sagt Rijan und strahlt.
Das Fußballturnier ist eine von rund 30 Aktivitäten, die Stellinger Schülerinnen und Schüler aller Altersgruppen für die Kinder und Jugendlichen aus den drei benachbarten Erstaufnahmeeinrichtungen organisiert haben. Sie nähen gemeinsam Federtaschen, bemalen den Schulhof mit Flaggen, kochen, essen oder spielen Fußball. Der Aktionstag steht unter dem Motto „Willkommen in Stellingen“. Die rund 130 Flüchtlingskinder wurden von Tamsir und anderen Freiwilligen vormittags von ihren Unterkünften abgeholt. Sie sind erst wenige Monate in der Stadt und lernen direkt in den Unterkünften Deutsch in kleinen Lerngruppen. Geflüchtete Mädchen und Jungen, die im Quartier wohnen bleiben, sollen im nächsten Schuljahr an die Stadtteilschule wechseln. „Mit diesem Aktionstag möchten wir unsere neuen Mitschülerinnen und Mitschüler willkommen heißen“, so Schülerratsmitglied Elizabeth Yeboah. „Außerdem hoffen wir, dass das persönliche Kennenlernen hilft, Ressentiments abzubauen.“ Vorurteile, so die Abiturientin, fänden sich auch in der Schülerschaft der Stadtteilschule, obwohl diese sehr gemischt sei. Deshalb startet jede Klasse mit einem interkulturellen Training in den Tag. Die Idee für einen Willkommenstag hatte der siebenköpfige Schülerrat bereits im vergangenen Herbst entwickelt. In den Folgemonaten sammelte er gemeinsam mit den Klassensprechern Ideen, arbeitete ein Konzept aus, sprach es mit dem Schulleiter ab und brachte schließlich den Antrag in die Lehrerkonferenz ein. Der wurde mit großer Mehrheit angenommen. „Die Schüler haben verstanden, wie sie sich in einer Demokratie einmischen können“, berichtet Schulleiter Bernd Mader stolz. „Das braucht unsere Einrichtung und genau das müssen wir unterstützen.“
Was die Stellinger Mädchen und Jungen auf die Beine gestellt haben, soll „Schule machen“, hofft auch Bernd Gebert, Gründer und Vorstand der bundesweiten gemeinnützigen Initiative „Das macht Schule“. „Häufig werden z. B. Themen wie Flucht und Asyl von engagierten Lehrkräften in die Klassenzimmer geholt. Die versuchen dann, die Schülerinnen und Schüler zu beteiligen“, erzählt Gebert. „Hier ist es umgekehrt.“ Mit einem kleinen Team initiiert und begleitet Gebert Praxisprojekte an Schulen, die Selbstständigkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Sozial- und Handlungskompetenzen fördern sollen.
Hilfe einholen
Seit dem Start des Projekts „Schüler helfen Flüchtlingen“ vor einem halben Jahr haben rund 80 Schulen um Unterstützung für eigene Projekte gebeten. Angeboten werden Tipps zur Finanzierung oder Unterrichtsmaterialien zum Thema Flüchtlinge. Vom Know-how der Initiative hat auch die Stadtteilschule Stellingen profitiert.
Der Willkommenstag dort endet mit einer Einladung zum Essen in der neuen Mensa. Tamsir aus der 9e zeigt sich sehr zufrieden. „Wir wussten erst nicht, wie gut wir uns verständigen können“, erklärt er. „Aber alle waren sehr offen und interessiert. Und außerdem: Sport und Essen verbinden.“
Michaela Ludwig, freie Journalistin
Foto: Projekt „Schüler helfen Flüchtlingen“: www.das-macht-schule.net/willkommen
Der Artikel erschien in der E&W 06/2016