Vom Modell zum Alltagsterror

07. Februar 2013Von: Hans VoßThema: Arbeitszeit
Die 10jährige Geschichte des "Lehrerarbeitszeitmodells"

Sprachlich ungenau wird im Schulalltag der Begriff „Arbeitszeitmodell“ (AZM) benutzt, um zu beschreiben, wie in den Schulen die Arbeitszeit abgerechnet wird. Es handelt sich aber nicht mehr nur um ein „Modell“,  sondern um die Realität des Arbeitsalltags. Da sich der Begriff aber in der Diskussion durchgesetzt hat, wird er in diesem Artikel verwandt. Der Arbeitszeiteinsatz regelt sich auf der Grundlage einer Verordnung.

Am 1. Juli 2003 wurde die Lehrkräfte-Arbeitszeit-Verordnung erlassen. Seitdem sind mehrere  Lehrkräftegenerationen in den Schuldienst getreten, die vom ursprünglichen Plichtstundenmodell nur übers Erzählen gehört haben und die nur die Arbeit unter dem AZM kennen. Das AZM wurde seitdem mehrfach evaluiert durch
• den „Runden Tisch“ (2004)
• den Unternehmensberater Mummert-Consulting (2005)
• die Behler-Kommission (2008).
Das AZM wurde zweimal geändert:
• 2004 wurden die Faktoren aller Fächer der Jahrgangsstufen 1 bis 4 für die Lehrkräfte der Grundschulen, der Grundschulklassen an Gesamtschulen und der Sonderschullehrkräfte in Integrationsklassen jeweils von 1,30 auf 1,35 gesetzt.
• 2011 wurde eingefügt:
- die Altersentlastung für KollegInnen über 60 Jahre
- eine Erhöhung der Faktoren für den Unterricht in der 4. Klasse der Grundschulen, die aber nach einem Jahr auslief
- die Festlegung, dass die Tabelle mit den Faktoren der Gymnasialen Oberstufe nun für die „Sekundarstufe II der Stadtteilschule, des Gymnasiums sowie des Studienkollegs“ gelten soll (ohne inhaltliche Änderung).

Vorgeschichte

2001 wurde nach der Bürgerschaftswahl ein CDU-FDPSchill-Senat gebildet, in dem Rudolf Lange (FDP) zum Schulsenator bestellt wurde. Dieser Senator schrieb am 15.3.2002 an alle Schulen: „Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer, nachdem es in letzterZeit verwirrende Meldungen in der Presse gab, teile ich Ihnen zum Wiederbeginn der Schule nach den Frühjahrsferien als Erstes mit, dass es eine Erhöhung der  Wochenplichtstundenzahl oder eine Absenkung der Gehälter nicht geben wird.“

Viele KollegInnen in der Gewerkschaft waren ob dieser Ankündigung skeptisch, andere meinten, man habe dies nun doch „schwarz auf weiß“ und waren beruhigt. Die Ruhe war jedoch (be-)trügerisch.

Jesteburger Beschlüsse

Nach der Senats- und Koalitionsklausur in Jesteburg vom 4. und 5. Mai 2002 war es aus mit der Ruhe. Der Senat beschloss umfangreiche Kürzungen - auch für die Schulbehörde. Dort arbeitete man nun an der Idee, eine Arbeitszeiterhöhung abzufordern, diese aber so zu verpacken, dass sie von der Öffentlichkeit nur schwer zu erkennen war. Dazu setzte man eine Kommission unter Leitung von Dr. Schmitz ein. Der war schon Mitglied der ersten Hamburger Lehrer-Arbeitszeit-Kommission gewesen.

Die Kommission hatte die Aufgabe, die Lehrerarbeitszeit neu zu organisieren. Dies sollte aber unter der Prämisse der „Auskömmlichkeit“ geschehen. Im Behördendeutsch hieß das: „Die Lehrerarbeitszeitkommission
soll im Rahmen einer Efizienzsteigerung und zur Bedarfsdeckung einen signiikanten Beitrag an ersparten Lehrerstellen erarbeiten“. Das stand im klaren Widerspruch zu Langes immer wiederholter Aussage: „Durch das neue Arbeitszeitmodell soll kein Sparbeitrag geleistet werden.“

Rosemarie Raab, ehemalige Schulsenatorin, beschrieb das vorgelegte Modell der zweiten Kommission so: „Das … Modell … geht nicht von der tatsächlichen Lehrerarbeit aus, sondern von den festgesetzten Lehrerstellen. Auf der Basis einer 40-Stunden-Woche rechnet es das Arbeitszeitvolumen aus, das zur Verfügung steht, und ordnet dann den vielfältigen Tätigkeiten Zeitwerte zu, unabhängig davon, welcher Zeitumfang realistischer Weise für die jeweilige Aufgabe anzusetzen ist.“ Für Raab – und nicht nur für sie – war das Modell ein „Arbeitszeitvermehrungsmodell“ und „eine schulpolitische Nebelkerze“.

Einführung des Lehrerarbeitszeitmodells

Lange verkündete den Lehrerinnen und Lehrern durch eine mit Versprechen gefüllte Broschüre . “Wir  möchten …, dass Ihre Arbeitszeit nach Ihrem tatsächlichen Arbeitsaufwand bemessen … wird.“ An anderer Stelle dieser Broschüre wurde angekündigt: „Der engagierte Lehrer wird in Zukunft jede wahrgenommene
Aufgabe auf seine Arbeitszeit angerechnet bekommen“. Wie viel von solchen Versprechen zu halten war, zeigte die Arbeit unter dem AZM.

2008 zählte der Gesamtpersonalrat in einer Stellungnahme zum AZM 54 neue und/ oder nicht im   Arbeitszeitmodell berücksichtigte Aufgaben. Selbst die Behler-Kommission kam auf 42 neue nicht mit zusätzlicher Arbeitszeit versehene  Aufgaben. Und diese Kommission war von Senatorin Dinges-Dierig ausgewählt worden, einer Senatorin, die sich durch völlige Schmerzfreiheit gegenüber den Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer auszeichnete.

2003 aber bestand die Behörde darauf, dass durch die neue Lehrerarbeitszeitanrechnung auf die Kolleginnen und Kollegen keine Mehrarbeit zukam. Das führte zu kuriosen, mehrdeutigen Aussagen der
Pressestelle der Schulbehörde.

Die Unaufrichtigkeit der Behördenleitung setzte sich fort, indem die Behörde sich über eine Beilage zum Hamburger Abendblatt an die Eltern richtete und so die Schulen umging, um die Vorzüge des neuen Arbeitszeitmodells zu rühmen. Dieses Vorgehen und die gewählte Darstellung qualiizierte die im März 2005 von der Behörde eingesetzte Unternehmensberatungsgesellschaft Mummert-Consulting als „mit Bande spielen“ und attestierte dem Senat: „Indem den Eltern gegenüber eine solche pauschale Darstellung der Arbeitszeit von Lehrkräften gegeben wurde, verlässt … der oberste Dienstherr den Raum der fairen   internen Auseinandersetzung“.

Die Arroganz der Behördenvertreter ging noch weiter; in einem Rundschreiben empfahl eine Behördenvertreterin: „Liebe Kollegen und Kolleginnen, manchmal sind Diskussionen einfach nur interessant,
für den privaten Bereich reicht dies zur Weiterführung der Diskussion, im professionellen Bereich mit Kosten-Nutzen-Rechnung ist die Diskussionsphase mit der Entscheidung durch den Arbeitgeber beendet. Ich faxe Ihnen die zwei ersten Seiten der Lehrkräfte-Arbeitszeit-Verordnung, die der Senat am 1. Juli 2003   beschlossen hat. … alle Bediensteten im öffentlichen Dienst Hamburgs (sind) verplichtet, Entscheidungen  des Senats und der Bürgerschaft umzusetzen. Alternative: Kündigen (Kündigungsfrist zwei Wochen) und Wechsel des Arbeitgebers.“

Selbst der Unternehmensberater Mummert-Consulting ordnete eine solche „Kommunikation … als unehrlich, die Lehrkräfte nicht wertschätzend“ ein und stellte fest: „Ein „Ins Abseits Stellen“ der Lehrkräfte ist vor diesem Hintergrund schädlich.“

Doppelter Bruch des Versprechens

Senator Lange brach sein Versprechen aber nicht nur bzgl. der Arbeitszeit, sondern auch bezüglich der Bezahlung. 2003 wurde beschlossen
• das Weihnachtsgeld zu kürzen (damals gab es noch was zu kürzen…)
• das Urlaubsgeld ab der Besoldungsgruppe A9 zu streichen
• die Eingangsbesoldung für Lehrerinnen und Lehrer mit dem Lehramt der Grund- und Mittelstufe von A 13  auf A 12 abzusenken.

Andreas Hamm schrieb damals in einem HLZ-Artikel:, „Für mehr Arbeit soll weniger bezahlt werden.  Schlimmer kann man seine Leute gar nicht demotivieren.“

Widerstand

Widerstand formierte sich. Er richtete sich vorwiegend gegen die Erhöhung der Arbeitszeit. Eine   GEW-Untersuchung zeigte, dass die Kolleginnnen und Kollegen mehr unterrichten mussten, im Durchschnitt fast 2 Unterrichtsstunden mehr. KollegInnen mit niedrig faktorisierten Fächern waren noch viel stärker  betroffen. Das zeigte sich für die Lehrerinnen und Lehrer, als ihnen nach den Sommerferien die Ausdrucke
zum Unterrichts- und Arbeitseinsatz vorgelegt wurden. Diese Ausdrucke waren für die
„NormalkollegIn“ so durchsichtig wie die Abrechnungen der Elektrizitätsversorger…. Sie waren kaum nachzuvollziehen. Die GEW-Personalratsmitglieder erstellten deswegen Leseanleitungen!

Als Beispiel, wie sich die neue Arbeitszeitabrechnung für einen Kollegen mit niedrig faktorisierten Fächern auswirkt, soll der Kollege Mustermann stehen . Vor den Sommerferien 2003  hatte der Sport- und  Geographie-Kollege am Gymnasium (Vollzeit)  eine Unterrichtsverplichtung von 24 Unterrichtsstunden. Für die Tätigkeit als Klassenlehrer und als Fachvertreter und Sammlungsleiter erhielt er eine Unterrichtsentlastung von 2 Unterrichtsstunden, so dass er 22 Unterrichtsstunden gab. Nach den Sommerferien hatte er 29 Unterrichtsstunden zu geben. Seine Funktionsaufgaben musste er weiterhin  übernehmen. In der Rubrik A-Zeit verborgen war die Vertretungsverplichtung von einer zusätzlichen Stunde
und ihm wurde angezeigt, dass er im Jahressaldo noch 10,6 Zeitstunden abzuliefern hatte.

Der Widerstand war vielfältig. Es sollen nur einige Beispiele angeführt werden. Schon 2002 hatte es  Großdemonstrationen gegen Langes Sparkurs gegeben. Das Hamburger Abendblatt berichtete am 11.6.02: „Mehr als 50 000 Eltern, Lehrer und vor allem Schüler haben … auf dem Rathausmarkt lautstark gegen die
Hamburger Bildungspolitik und den Sparkurs des neuen Senats demonstriert.“

Auch an den Schulen tat sich etwas. Gemeinsam mit den Eltern wurde Widerstand organisiert. Eltern griffen zu Aussperrungen. Mit Menschenketten und Mauern aus Pappe wurde symbolisch der Einzug des geplanten Lehrerarbeitszeitmodells verhindert. Sie sperrten Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte aus, an anderen Schulen übernahmen sie demonstrativ den Unterricht. Ein Klassenreisenboykott wurde  beschlossen. SportlehrerInnen stellten die Organisation von Wettkämpfen ein. KunstlehrerInnen gestalteten
ihren Unterricht um und übten mit den SchülerInnen „malen nach Zahlen“.

Die GEW Demonstrationen und Verhandlungen zur Altersentlastung der Lehrerinnen und Lehrer waren  erfolgreich. Im Ergebnis standen 2 Zeitstunden Entlastung für (Vollzeit)- Lehrkräfte ab 60 Jahren.

Die Personalräte haben eine Reihe von Dienstvereinbarungen (z.B. DV Teilzeit, DV Stundenkonto, DV LI, Rahmenvereinbarung Schulstrukturreform) abgeschlossen, aufgrund derer es gelang, die Wirkungen des AZMs für die Kolleginnen und Kollegen abzumildern.

Im Ergebnis bleibt für die Hamburger KollegInnen weiterhin die Arbeit nach dem Arbeitszeitmodell.

Das  Arbeitszeitmodell

Schaut man sich die Schulen genauer an, so stellt man fest: es gibt nicht das eine Arbeitszeitmodell,
sondern jede Schule hat ihr eigenes. Das hängt unter anderem auch damit zusammen, dass seit 2003 weitere Sparbeschlüsse gefasst und die Schulen zu selbstverantworteten Einheiten (SVS) wurden, dazu kamen und kommen immer neue Aufgaben an die Schulen, ohne dass ihnen – wie 2003 versprochen – Arbeitszeitzuweisungen folgen. Aus dieser Misere werden unterschiedliche Wege gesucht, alle sind aber mit einer erheblichen Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit verbunden.

Unter diesen Bedingungen wurden die sogenannten Rosenboom-Briefe, neudeutsch: FAQs (Frequently asked questions) zum AZM zu Stopp-Zeichen für erindungsreiche und phantasievolle Schulleitungen, die von der Behördenleitung ohne entsprechende Arbeitszeitzuweisungen allein gelassen trotzdem meinen,  alles umsetzen zu müssen. Auch hier wird die Verschärfung des AZMs deutlich, denn 2003 wurden die Rosenboom-Briefe von den Personalräten noch entschieden abgelehnt, führten sie doch zu einer  Arbeitsverdichtung. Heute sind wir froh, dass wir damit den schlimmsten AZM-Eigeninterpretationen Einhalt gebieten können.

Beförderungen und AZM

Mit der Absenkung des Eingangsamtes (s.o.) und der funktionsgebundenen Beförderung nach A13 bzw. A14 entstand ein weiteres Problem. In vielen Schulen werden den Beförderten Funktionszeiten verweigert, weil davon ausgegangen wird, dass über die höhere Bezahlung die Tätigkeit abgegolten sei. Dabei wird verkannt, dass die Beförderung erfolgt, weil der Dienstherr davon ausgeht, dass der/die Beförderte
nun eine höherwertige Tätigkeit ausübt. Für alle - auch für die Beförderten - gilt aber die 40-Stunden-Woche respektive die 46,57-Unterrichtswoche, d.h. innerhalb dieses Rahmens müssen auch Zeitwerte für die
übernommenen Funktionen angerechnet werden. Das ist auch die Begründung dafür, warum Schulleitungen eine höhere Bezahlung und Funktionszeiten erhalten. Mit Änderung der Beförderungspraxis bzw. mit der Schaffung der A13-Beförderungsstellen hätte die Behörde die Schulen mit zusätzlichen Funktionszeiten ausstatten müssen. Gerade an kleineren Schulen wird dies zu einem besonderen Problem.

Planungs- oder Abrechnungsmodell

In den Anfängen hatten  Behördenvertreter das AZM als reines Planungsmodell beschrieben. Forderungen  der Kolleginnen und Kollegen nach angemessenen Arbeitszeitzuweisungen oder Berücksichtigung von neuen Aufgaben wurden mit der Begründung  abgewiesen, dass das AZM auskömmlich und nur zur Planung eingeführt worden sei und keinesfalls als Abrechnungsmodell entworfen wurde.

2005 stellte der Unternehmensberater Mummert-Consulting  in dem Bericht zur Evaluation des AZMs aber
gerade dies als das Neue am AZM heraus: „Das Wichtigste am Lehrerarbeitszeitmodell ist, dass es einen Paradigmenwechsel für das Selbstverständnis von Schule und für die Organisation schulischer Aufgaben einleitet, ... : Das Plichtwochenstundenmodell versteht Schule als Gemeinschaft eines Kollegiums,  dessen Mitglieder Lehrdeputate einbringen, um gemeinsam eine Schule zu betreiben, für die sie in gewissem Umfang auch bereit sind, weitere Aufgaben zu übernehmen. Das Lehrerarbeitszeitmodell versteht Schule als einen Bildungsbetrieb, der Anspruch auf 100 % der Arbeitszeit seiner angestellten Lehrkräfte
hat, und die Aufgabe übernehmen muss, diese Kapazität wirkungsvoll einzusetzen.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Rechnungshof und AZM

Diese Situation wird in letzter Zeit verschärft, weil auch  der Rechnungshof Schule im Sinne des  Paradigmenwechsels begreift. Das bedeutet, das AZM wird immer stärker zu einem Abrechnungsmodell. Es werden Portfolios gefordert und immer neue Kontentypen geführt.

Für die Zukunft fordert der Rechnungshof eine verstärkte Verbetriebswirtschaftlichung der Schulen und die Schulbehörde hat dies zugesagt:

„Um ihren Nachweis- und Rechenschaftsplichten nachzukommen, hat die BSB zugesagt,
- die Transparenz über die zweckentsprechende Verwendung der Lehrerkapazität zu verbessern,
- ein kennzahlengestütztes Berichtswesen über die Gewährleistung der Unterrichtsversorgung und als Steuerungsinstrument für den Einsatz der Lehrerressourcen zu schaffen,
- im Rahmen ihrer inanziellen Möglichkeiten die Mängel bei den Auswertungsmöglichkeiten der Unterrichtsversorgung durch die Einführung einer neuen Schulverwaltungssoftware mittelfristig zu beheben
und
- die personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen einer zentralen und IT-gestützten Erfassung von   Daten zur Unterrichtserteilung und zum Unterrichtsausfall zeitnah zu schaffen.
Sowie
- „...zentrale Vorgaben zur Verbesserung der Personaleinsatzplanung in den Schulen zu entwickeln und entsprechende Handlungsanweisungen zu erlassen,
- die Auswirkungen von Mehr und Mindererfüllungen bei der Arbeitszeit von Lehrkräften in den Schulen zu überprüfen und durch geeignete Maßnahmen Mindererfüllungen möglichst auszuschließen,
- sicherzustellen, dass Schulen künftig den Zuweisungsrahmen nicht zulasten von Unterrichtszeiten überschreiten.“
(Zitat aus dem Jahresbericht des Rechnungshofes 2011).

Sonderbarerweise hat der Rechnungshof weder die Schaffung immer neuer Aufgaben bzw. die oben  beschriebenen Änderung im Rahmen A13 bzw. A14 ohne die Zuweisung neuer Arbeitszeit bemängelt.
Zumindest die Vertreter der Schulbehörde hätten dies besser wissen müssen, oder überschätzen wir sie da?

Stattdessen hat die BSB Zusagen gegeben, die den Arbeitsdruck auf die Kolleginnen und Kollegen weiter erhöhen werden. Sie bedeuten einen Ausbau des Abrechnungsmodells, ohne das Versprechen aus dem Jahr 2003, „jede wahrgenommene Aufgabe auf seine Arbeitszeit angerechnet ( z u ) bekommen“,  einzuhalten. Die Kolleginnen und Kollegen werden immer weiter in Richtung Erbsenzählerei gedrängt. Wenn aber jede Minute und Sekunde nachweisbar abgerufen wird, sind die LehrerInnen gezwungen, jede nicht im
AZM berücksichtigte Tätigkeit ihrerseits in Gegenrechnung zu stellen. Schule wird durch diese  Behördenvorgaben immer stärker „verexcelt“.

„Entlastungen und Anpassung an Reform“ oder Aufgabenkritik?

Über die Homepage der Hamburger Bildungsbehörde wird noch immer mit „Entlastungen und Anpassung an Reform“ geworben und die „große Novellierung der Lehrerarbeitszeit“ angekündigt, wie sie Ties Rabes Vorgängerin im Amte, Christa Goetsch, versprach: „Die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Novellierung
der Lehrerarbeitszeit soll zum 1. Februar 2009 erfolgen. Deren Aufgabe wird es sein, bis September 2009 Vorschläge für die Gestaltung der Lehrerarbeitszeit vorzulegen.“

Parallel dazu ist Rabe stolz, dass er den Kolleginnen und Kollegen nicht mit einer weiteren Kommission zur Evaluation des AZMs gekommen ist. Er stellte seine Bereitschaft heraus, eine Aufgabenkritik durchzuführen. 

Die bisherigen Ergebnisse dieser Aufgabenkritik sind wie die „Neue Deutsche Küche“: sehr übersichtlich.
Rabe muss sich im Klaren sein, dass ein paar butterweiche Zugeständnisse nicht reichen, zumal sie in Teilen schon wieder relativiert wurden.

Selbst der nicht sehr lehrkräftefreundliche Evaluationsbericht von Mummert-Consulting fordert als eine Grundvoraussetzung für den Paradigmenwechsel, der von der Schulbehörde betrieben wird: „Führt die  Behörde neue Aufgaben erheblichen Umfangs ein, muss sie sich den gleichen Knappheitsbedingungen unterwerfen, deren Beachtung sie von den Schulleitungen fordert. Entweder es können zusätzliche Kapazitäten bereitgestellt werden oder es bleibt bei dem gedeckelten System. Dann muss die Behörde entscheiden, welche anderen Aufgaben etwa gleichen Aufwands nicht mehr oder weniger intensiv wahrgenommen werden können. Keinesfalls kann sie fairerweise den Lehrkräften aufbürden, die neuen Aufgaben zusätzlich in ihrem Arbeitszeitkonto unterzubringen, noch den Schulen, die Umschichtungen selbst zu inanzieren.“

Ausblick

2008 schrieb der Gesamtpersonalrat eine Stellungnahme für die Behler-Kommission. Die die Stellungnahme
abschließende Feststellung des GPR ist weiterhin gültig und soll den aktuell verantwortlichen Protagonisten mit auf den Weg gegeben werden:

„Wir können leider nur feststellen, dass die in den Veröffentlichungen der BBS zur Einführung des Arbeitszeitmodells getätigten Versprechen nicht eingelöst wurden. Eine Kultur der Vertröstung auf Evaluationen wurde etabliert (Runder Tisch, Mummert-Consulting, Behler-Kommission), ohne dass sich für
die Kolleginnen und Kollegen bisher eine fühlbare Besserung der Arbeits(zeit)bedingungen ergeben hat. Vor dem Hintergrund der in den nächsten Jahren auf die Schulen zukommenden bildungspolitischen Herausforderungen ist ein deutliches Signal in Richtung einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen an die
Kolleginnen und Kollegen von Nöten. Uns bleibt nur, daran zu erinnern, was Mummert-Consulting feststellte:

„Das Engagement von Lehrkräften ist ein volatiler Stoff, was in der Praxis von Schulen erhebliche Auswirkungen hat. Das mag man bedauern oder gerne ändern mögen. Dem Fakt muss  man Rechnung tragen.“

HANS VOSS