Umfragen in GEW-Landesverbänden zeigen unisono: Schlechte Arbeitsbedingungen, Stress und Unzufriedenheit machen Lehrerinnen und Lehrer krank. Ergebnisse aus Baden-Württemberg, dem Saarland, Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt.
Baden-Württemberg:
Doro Moritz, Vorsitzende der GEW Baden-Württemberg (Bild oben links), fand klare Worte: „Von Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte kann nach diesen Ergebnissen keine Rede sein.“ Die GEW im Ländle hatte bei einer landesweiten Befragung zur Arbeitssituation an Schulen im vorigen Frühjahr Antworten von fast 3 000 Lehrkräften aller Schularten erhalten, und Moritz musste nach der Auswertung ein bitteres Fazit ziehen: „Unzufriedenheit, Frust und schlechte Arbeitsbedingungen an den Schulen sind kein Nährboden für engagiertes Anpacken. Diese Faktoren machen krank.“ Angesichts der Absicht der grün-roten Landesregierung, Stellen zu kürzen, sowie dem Aufgabenzuwachs für die Kollegien sanken die Zufriedenheitswerte in Baden-Württemberg auf einen Tiefpunkt. Fast 90 Prozent der Lehrkräfte bezeichneten den Druck aufgrund von Zeitmangel als „hoch“ bis „sehr hoch“, etwa ebenso viele stellten eine große bis sehr große Arbeitsbelastung fest.
Saarland:
Die GEW Baden-Württemberg steht mit diesen Ergebnissen nicht alleine da. Eine Reihe weiterer Landesverbände hat in jüngster Zeit ebenfalls Pädagoginnen und Pädagogen nach Arbeitsbelastungen, -zufriedenheit und möglichen Erkrankungen befragt. So bestätigte etwa im September 2014 eine Erhebung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz im Saarland, dass Stress und Druck auf den Lehrkräften lasten. Trotz genereller Zufriedenheit und Gesundheit berichtete mehr als ein Drittel der Befragten über Erschöpfungssymptome wie Müdigkeit, Zerschlagenheit und Schlafstörungen, innere Unruhe und Nervosität, außerdem über Verspannungen und Rückenschmerzen. Zu den häufigsten Ursachen dieser Beschwerden zählen auf der einen Seite Überlastung, Zeitdruck, zu große Klassen, Lärm sowie mehr verhaltensauffällige Kinder – auf der anderen Seite gibt es einen Mangel an Regeneration und Entspannung, Nicht-Abschalten-Können und nicht zuletzt eine „Überwucherung“ des Privaten durch die Arbeit. Dass wachsende Belastungen und fehlende Unterstützung krank machen können, hatte schon 2012 eine Befragung der Thüringer GEW gezeigt: 37 Prozent der Lehrkräfte gaben damals an, im Vorjahr schon mehr als zweimal krank gewesen zu sein, 30 Prozent waren sogar langzeiterkrankt. Neben alterstypischen Krankheiten wie Herz- und Kreislauf-Problemen klagten die Befragten insbesondere über psychische Leiden – Depressionen und Burnout.
Hamburg:
„Keine Freizeit, Scheidung“ – mit diesem aufschreckenden Zitat eines Kollegen überschrieb die Hamburger GEW im Frühjahr 2014 eine Online-Umfrage zur Arbeitsbelastung der Lehrkräfte. Schlafstörungen, Sich-Ungenügend-Fühlen und Gereiztheit wurden als die häufigsten Folgen hoher Anforderungen im Schuldienst genannt – neben Antriebslosigkeit und psychischen Erkrankungen. „Das Hamburger Arbeitszeitmodell bürdet Lehrkräften immer mehr zusätzliche Tätigkeiten auf, ohne sie zu entlasten“, kritisiert die Vorsitzende der GEW Hamburg, Anja Bensinger-Stolze (Bild oben rechts).
Schleswig-Holstein:
Ganz im Norden der Republik las Schleswig-Holsteins GEW-Vorsitzender Matthias Heidn der Regierung die Leviten. Nach Lesart des Bildungsministeriums handele es sich bei Schulen um eine Art „Wellness-Oasen“. „Aber die Realität sieht anders aus“, rüffelte Heidn. Eine Mitgliederbefragung hatte ergeben, dass 93 Prozent der Lehrkräfte ihre Belastung durch die Arbeitsbedingungen als „sehr hoch“ oder „hoch“ einschätzten. Als schlimmste Stressfaktoren nannten die Befragten Zeitmangel (87 Prozent), zu große Klassen (65 Prozent) und zu viele Pflichtstunden (63 Prozent). Der Ausbau individueller Förderung und die Umsetzung der Inklusion gelten als neue Zeit- und Kraftfresser.
Sachsen-Anhalt:
Dass Lehrerinnen und Lehrer im Alltag 45 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ermittelte die GEW Sachsen-Anhalt im Oktober 2013. Die Untersuchung zeigte erneut, dass Lehrkräfte am physischen und psychischen Limit arbeiten – und ihre Arbeitszeit deutlich höher liegt als bei allen anderen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst. Weitere Umfragen in anderen Landesverbänden, die schon in Arbeit sind, dürften diesen Trend bestätigen.
Sven Heitkamp, freier Journalist
Der Artikel erschien in der E&W 4/2015
Foto: (c) Gerd Altmann / www.pixelio.de