Viele Lehrkräfte befürchten rechtsextreme Angriffe, wenn sie sich für Demokratie einsetzen. Es gibt aber viel Rückendeckung für ein solches Engagement: von der GEW, der Bildungsministerin – und dem Bundespräsidenten.
Jede achte Lehrkraft gibt in einer nicht-repräsentativen Onlineumfrage des Magazins Stern und des TV-Senders RTL an, negative Reaktionen aus rechtsextremen Kreisen zu befürchten, wenn sie sich im Unterricht offen für demokratische Werte einsetzt. Politik und Gewerkschaften stärken Lehrerinnen und Lehrern indes demonstrativ den Rücken: Die GEW und Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) riefen dazu auf, das Neutralitätsgebot - fehlgeleitet durch die AfD - nicht falsch zu verstehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte Solidarität mit Lehrkräften, die extremistische Angriffe gegen die Demokratie im Schulalltag erleben.
Rechte Straftaten an Schulen auf Höchststand
Befragt wurden zwischen Mitte September und Mitte Oktober rund 1.000 Lehrkräfte, die über GEW-Landesverbände kontaktiert wurden. 82 Prozent von ihnen bekamen im vergangenen Schuljahr rechtsextreme Äußerungen von Schülern mit, 22 Prozent erlebten solche Äußerungen wöchentlich. 55 Prozent gaben an, rechtsextreme Vorfälle hätten in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Diese Umfrageergebnisse decken sich mit polizeilichen Zahlen, denen zufolge die gemeldeten rechtsextremen Straftaten an Schulen 2024 einen Höchststand erreichten.
Mehr als die Hälfte wünscht sich mehr Unterstützung
57 Prozent der Teilnehmenden wünschen sich mehr Unterstützung bei rechtsextremen Angriffen. 64 Prozent gaben an, sie hätten noch nie eine Schulung oder Fortbildung zu diesem Thema gehabt. Jede sechste Lehrkraft sagte, das Neutralitätsgebot sei schon einmal als Argument gegen ihren Einsatz für demokratische Grundwerte genutzt worden – meist in persönlichen Gesprächen, vereinzelt auch in Form einer Beschwerde bei der Schulleitung oder sogar einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
Bundespräsident: Lehrkräfte können nicht wegschauen
Steinmeier betonte im Interview mit dem Stern und RTL mit Blick auf die Debatte um Neutralität: „Wenn Lehrer auf Situationen im Unterricht und auf dem Pausenhof treffen, bei denen Kinder sich rassistisch oder antisemitisch äußern, dann können sie nicht neutral wegschauen.“
Zudem unterstrich er die Bedeutung von Demokratiebildung und Beteiligung in der Schule: „Demokratie ist nicht nur die Herrschaft der Mehrheit, sondern auch der Schutz von Minderheiten. Dafür gibt es kein Unterrichtsfach. Das müssen wir in der ganzen Schule leben.“ Schülerinnen und Schüler müssten darauf vorbereitet werden, „dass sich das gesellschaftliche Klima verändert und dass es sich lohnt, für sie und für die Gesellschaft als Ganzes und für die Demokratie einzutreten“.
Die GEW-Vorsitzende erklärte: „Die AfD hat den Fokus auf die Schulen in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert. Wir merken das an der steigenden Zahl Kleiner Anfragen.” Mit diesen erkundige sich die Partei regelmäßig nach vermeintlichen Verstößen gegen das politische Neutralitätsgebot - und nehme so bereits massiven Einfluss auf Lehrkräfte. „Viele sind verunsichert: Was darf ich sagen, was nicht? Das sind Fragen, die sich Beschäftigte an Schulen zunehmend stellen.“
„Demokratie ist nicht neutral.“
Lehrkräfte seien jedoch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet, stellte Finnern klar. „Demokratie ist nicht neutral. In unserem Grundgesetz stehen die Werte, an denen sich unsere Gesellschaft ausrichtet: Menschenwürde, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Solidarität.“ Die AfD versuche indes, durch verschiedene Angriffe zu suggerieren, dass die Schule ein neutraler Ort sein müsse.
In den vergangenen Jahren verursachte die AfD auch mit Portalen Aufsehen, über die Lehrkräfte gemeldet werden konnten, die sich angeblich zu politisch geäußert hatten.
Auch Bildungsministerin Prien betonte, Lehrkräfte seien als Vertreter*innen des Verfassungsstaates nie neutral. Zu einem entschlossenen Auftreten gegen den zunehmenden Rechtsextremismus in den Klassenzimmern gehöre es auch, dass Schulen Haltung und Konsequenz zeigten.

