Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar mahnen die Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, sich dem wiedererstarkenden Antisemitismus entgegenzustellen.
Nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 ist die Zahl antisemitischer Vorfälle auch in den Bildungseinrichtungen rapide angestiegen und verharrt seither auf diesem Niveau. „Stigmatisierung, Beleidigung, Bedrohung und Gewalt gehören zum Alltag vieler jüdischer Lehrender, Schülerinnen, Schüler und Studierender“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Antisemitismus dürfe in Bildungseinrichtungen aber keinen Platz haben.
„Schulen, Hochschulen, Kindertageseinrichtungen und Weiterbildungseinrichtungen sind Orte der Vielfalt, des Dialogs und der Aufklärung. Sie tragen eine besondere Verantwortung, jungen Menschen demokratische Werte zu vermitteln und sie zu befähigen, Vorurteilen, Hass und Diskriminierung aktiv entgegenzutreten“, betonte sie.
Da Antisemitismus häufig mit Unwissenheit und Vorurteilen beginne, sei eine stärkere Verankerung von Bildung über das Judentum, das jüdische Leben und die Geschichte des Antisemitismus, insbesondere der Shoah, in den Curricula sowie in Lehre, Unterricht und Erziehung erforderlich. Zusätzlich brauche es klare Interventionsstrategien und einen Ausbau des Diskriminierungsschutzes. „Bildungseinrichtungen müssen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Antisemitismus verfolgen“, so Finnern.
Debatte um „Neutralität“ im Klassenzimmer
Mehr Unterstützung für Lehrkräfte
Der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand forderte, Lehrkräfte müssten im Umgang mit dem Thema Antisemitismus besser unterstützt werden. „Hier muss der Dienstherr mehr und hochwertige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen schaffen, um Lehrkräfte angemessen zu schulen. Darüber hinaus brauchen wir die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams, um dem zunehmenden Antisemitismus mit der dafür notwendigen Kraft entgegentreten zu können.“
Der 27. Januar ist seit 1996 ein bundesweiter Gedenktag. Er wurde von dem verstorbenen Ex-Bundespräsidenten Roman Herzog als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben gerufen und erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau sowie der Konzentrationslager Auschwitz I und Monowitz 1945 durch die Rote Armee. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
GEW und VBE in Krakau und Auschwitz
Die Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag wird online hier übertragen. Am Gedenkseminar mit der polnischen und israelischen Bildungsgewerkschaft und dem VBE am 27. und 28. Januar in Krakau und Auschwitz ist auch die GEW beteiligt. Die GEW-Vorsitzende Finnern spricht bei einem Panel zum Thema „Erinnerung und Pädagogik: Unterschiedliche Konzepte des Geschichtsunterrichts.“ Weitere internationale Bildungsgewerkschaften und Education International (EI) sind ebenfalls vertreten.
Das hat der Beutelsbacher Konsens damit zu tun
Demokratiebildung ist zentraler Bestandteil des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Die Landesschulgesetze beschreiben die Ziele. Lehrkräfte sollen demokratische Werte wie Würde und Gleichheit aller Menschen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vermitteln.
Wenn es in der Schule um politische Bildung geht, müssen sich Lehrkräfte nicht neutral verhalten. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Lehrkräfte sollen auf Basis des Grundgesetzes eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Aussagen zeigen.
Oft fällt das Stichwort ’Beutelsbacher Konsens’. Er ist ein in den 1970er-Jahren formulierter Minimalkonsens für den Politikunterricht in Deutschland. Er darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden. Der Konsens formuliert drei zentrale didaktische Prinzipien politischer Bildung: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot sowie das Ziel, dass Schüler*innen zur politischen Teilhabe befähigt werden sollen. Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung ausdrücken, diese aber nicht als allgemeingültig darstellen. Kontroverse Themen müssen multiperspektivisch behandelt werden.