Am 21.3 wurde an der Thälmann-Gedenkstätte u.a. auf Initiative einiger Aktiver der GEW ein Stolperstein für Walter Krützfeld verlegt. Unten findet sich die Rede vom stellvertretenden GEW-Vorsitzenden Fredrik Dehnerdt.
"Lieber Herr Hess,
liebe Karin Brunier,
liebe Bettina Wehner, Jutta Staack und Jutta Jaensch von der GEW Gruppe der Ruheständlerinnen und Ruheständler,
lieber Herr Pfohlmann, Leiter der Gedenkstätte, der die Ausstellungsräume dankenswerterweise für anschließende Gespräche bei einer Tasse Kaffee zur Verfügung stellt,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
als stellv. Vorsitzender der GEW Hamburg freue ich mich sehr, sie und euch zur Stolpersteinlegung für Walter Krützfeld begrüßen zu dürfen. Als Bildungsgewerkschaft im DGB leben wir nicht in einem Elfenbeinturm, sondern beziehen immer wieder klar Stellung auch zu gesellschaftspolitischen Themen. Das schließt Gedenken und Erinnern ein. Mehr noch:
Als GEW verstehen wir Gedenken und Erinnern als gewerkschaftliche Aufgabe.
Für uns steht fest: Das unermessliche Leid und das Grauen, das die beiden Vernichtungskriege und die Schreckensherrschaft der Nazis über die Menschen gebracht haben, dürfen sich nie wiederholen. Deshalb müssen wir unser Bekenntnis zu Frieden, Demokratie und Freiheit immer wieder erneuern. ‚Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!‘ Dafür stehen wir Gewerkschaften! Dafür treten wir mit all unserer Kraft ein!
Seit 1957 ist der Antikriegstag ein Tag des Erinnerns und des Mahnens. Seitdem erinnern nicht nur die Gewerkschaften am 1. September daran, dass es dieser Tag war, an dem Nazi-Deutschland 1939 Polen überfiel und damit den Zweiten Weltkrieg entfachte. Wir gedenken an diesem Tag der Schrecken zweier Weltkriege, die über 80 Millionen Tote gefordert haben.
Der 9. Mai ist der Jahrestag der Befreiung von der NS-Herrschaft.
Am 9. November gedenken wir der Opfer der Reichsprogromnacht.
Solche Daten mit den zugehörigen Veranstaltungen sind erinnerungspolitisch bedeutsam, um die Geschehnisse wachzuhalten. Daher haben sie unsere Unterstützung.
In diesem Kontext entfalten auch die Stolpersteine ihre Bedeutung, da sie auf die individuellen Schicksale aufmerksam machen.
[Zur Bedeutung der Stolpersteine]
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. 2017 gab es über 60.000 Steine; nicht nur in Deutschland, sondern auch in 21 weiteren europäischen Ländern.
Stolpersteine sind ein gutes Mittel, die Erinnerung wachzuhalten, daher unterstützen wir das Gesamtprojekt sowie auch viele der einzelnen Stolperstein-Legungen.
Zu den 999ern
Wer waren die 999er? Wer waren diese Strafsoldaten in Wehrmachtsuniform – deportiert vom Hannoverschen Bahnhof?
Ursula Suhling berichtet in ihrem Buch von etwa 2.000 politischen Gegnern der NS-Herrschaft, die seit 1933 verfolgt, inhaftiert und misshandelt wurden. Von 1942 an zwang sie das Regime als Strafsoldaten in das “Bewährungs“-Bataillon 999. Ihr Sammelort war die Eimsbütteler Kaserne an der Bundesstraße. Von dort aus wurden sie in vier Massentransporten über den Hannoverschen Bahnhof zunächst zum Ausbildungslager “Heuberg“ in Württemberg-Baden deportiert. Ihre späteren Bestimmungsorte waren die gefährlichsten Einsätze an der Front. Nur wenige von ihnen haben überlebt.
Die GEW fordert, die Deportierten des „Bataillons 999“ in Hamburg in die offizielle Gedenkeinrichtung am Lohseplatz, Vorplatz des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs in der Hafencity, aufzunehmen.
Danken möchte ich an dieser Stelle unseren unermüdlichen Aktivistinnen Bettina Wehner, Jutta Staack und Jutta Jensch von der GEW-Gruppe der Ruheständlerinnen und Ruheständler, die mit ihrem Engagement entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Stolperstein für Walter Krützfeld verlegt werden konnte.
Liebe KuK, liebe FuF
Was folgt aus der Erkenntnis des Zivilisationsbruches während der NS-Zeit für uns als Bildungsgewerkschaft? Ich meine zweierlei:
Erstens: Als GEW verstehen wir Friedenserziehung als pädagogische Aufgabe.
Pädagoginnen und Pädagogen, so die Position der GEW, sind in besonderer Weise gefordert, sich in den Bildungseinrichtungen mit den verschiedenen Formen von Rassismus auseinanderzusetzen. Der pädagogische Auftrag lautet, Werte wie Gleichberechtigung, Respekt und Solidarität zu vermitteln und junge Menschen über die Gefahren gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und extremistischer Strömungen aufzuklären.
Friedenserziehung, so unsere Position, muss ein Kernziel von Bildung sein. In Kitas, Schulen, Hochschulen, der beruflichen Bildung und der Weiterbildung muss der Wert eines friedlichen Miteinanders aller Menschen anschaulich vermittelt werden. Frieden, so unsere Überzeugung, kann man lernen. Und daher unterstützen wir die alljährlichen Ostermärsche für Frieden.
Zweitens: Als GEW verknüpfen wir Gedenken und aktives Eintreten gegen rechts.
Gedenken und aktives Eintreten gegen rechts gehen Hand in Hand. So ist es oft die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die uns ermutigt, heute aktiv zu werden gegen die alltäglich zu beobachtende Ausgrenzung auch und insbesondere vor der eigenen Haustür. Daher ist Erinnerung notwendig, und daher hat Erinnern und Gedenken nicht nur eine Rückwärts-gewandte Seite, sondern weist immer auch in die Zukunft. Denn: Erinnern bedeutet, für die Gegenwart und für die Zukunft zu lernen.
Wir betonen die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur für die Demokratie. Völkisches und nationalistisches Denken werden wieder stärker, rechtspopulistische Stimmungsmache sowie rassistische Hetze und Gewalt nehmen in Deutschland und Europa zu: Auch deshalb muss die Erinnerung an die NS-Verbrechen wach gehalten werden.
Und daher wehren wir uns engagiert gegen die verschiedenen Strömungen innerhalb der Neuen Rechten, gegen Pegida, Hogesa, die Autonomen Nationalisten, die Identitären wie auch deren parlamentarische Auswüchse: die AfD.
Rechtspopulistische Gruppierungen und andere Organisationen der extremen Rechten vertreten nicht nur eine reaktionäre, rechte Politik und bedienen und befeuern in ihrem politischen Handeln gefährliche Ressentiments, sie stehen auch programmatisch sämtlichen Zielen und Aufgaben der GEW diametral entgegen. Mit Gruppierungen, die die Gleichheit aller Menschen bestreiten, kann man nicht in den Dialog treten, sondern man muss ganz klar Gegenpositionen beziehen. Das ist Aufgabe der Gewerkschaften und auch der GEW.
Abschließend möchte ich noch einmal allen danken, die die Stolperstein-Legung für Walter Krützfeld mit veranlasst und vorangetrieben haben – vielen Dank an euch – vielen Dank!"
Foto: Jutta Staack