Alphonse Kahn (1908-1985), väterlicherseits jüdischer Herkunft, überlebte den Naziterror. Er setzte sich bereits in den Jahren der NSDAP-Herrschaft für Antirassismus und Toleranz ein. In der frühen Bundesrepublik, dann in den 70er Jahren mit ihren Berufsverboten und bis zu seinem Tode verhalf er Menschen, die in Konflikt mit einem übergriffigen Staat gekommen waren, zu ihrem Recht.
Der Stolperstein von Alphonse Kahn liegt nun seit dem 12. Oktober 2016 neben dem von seinem Vater Martin Kahn, der nach seiner Deportation ermordet wurde.
An dieser Stelle, Von-Melle- Park 5 vor dem WiWi-Bunker der Universität Hamburg, liegen bereits 16 Stolpersteine und weitere werden hinzukommen. Hier führte ehemals die Beneckestraße entlang; an dieser wie auch im angrenzenden Grindelviertel zwischen Grindelallee und Rothenbaumchaussee wohnten viele jüdische Mitbürger_innen. Ihnen wurde das Leben ab 1933 zunehmend erschwert bis hin zur Vernichtung.
Bei der feierlichen Stolpersteinsetzung waren anwesend: seine Tochter Anne Kahn aus Frankfurt und Freunde, Gunter Demnig – Künstler und Initiator der Stolpersteine –, der ASTA der Universität Hamburg, Schüler_innen einer 6. Klasse der Ida-Ehre-Schule, die zum Thema ‚Flucht und Vertreibung‘ gearbeitet haben sowie die GEW Hamburg. Sie alle erinnerten in ihren Redebeiträgen nicht nur an die unsäglichen Verbrechen unter dem Nazi-Terror. Sie thematisierten auch Flucht und Vertreibung in der gegenwärtigen Zeit und/oder gingen ein auf ein gutes Miteinander unterschiedlicher Gruppierungen. Für das Gelingen einer vielfältigen Gesellschaft hat Toleranz eine über- ragende Bedeutung.
Toleranz, das ist auch das Stichwort, um auf das Leben von Alphonse Kahn zurückzukommen und die wichtigsten Stationen noch einmal herauszustellen. Alphonse Kahn absolvierte ab 1928 ein Jurastudium nebst einem Wirtschaftsstudium. Das war eine gute Grundlage für die verschiedenen Funktionen, die er im Laufe seines Lebens innehatte. Anfang der 30er Jahre wurde er Mitglied der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung, welche für Toleranz, gegen Rassismus und gegen Krieg eintrat. Hier kämpfte er u.a. gegen Benachteiligung jüdischer Studenten. Zeitgleich engagierte er sich bei der Roten Hilfe als Rechtsberater und ließ Hilfesuchenden Beistand vor allem in beruflichen Fragen zukommen. 1932 wurde Kahn Mitglied der KPD.
Einer Verhaftung entkam er 1933 durch Flucht nach Frankreich, wo er unter französischem Namen untertauchte – er hieß eigentlich Alfons Kahn. Im Krieg gelang es ihm sogar, bei der deutschen Wehrmacht angestellt zu werden und seine Informationen an die Résistance weiterzugeben. Kurz vor seiner Enttarnung entkam er in die Tschechoslowakei, wo er weiter gegen den Hitler- Faschismus kämpfte. Nach 1945 setzte er sich als Anwalt für Geschädigte des Nazi-Regimes ein. 1949 wurde er Richter am Landesentschädigungsgericht in Rheinland-Pfalz, aber schon nach einem Jahr wieder entlassen wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD (Adenauer-Erlass). Von 1952 an war er Mitglied im Präsidium der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Nach dem Verbot der KPD im Jahre 1956 trat er der DKP bei. Der Jurist arbeitete als Syndikus in verschiedenen Firmen. Mit 77 Jahren starb er im Jahre 1985.
Der Humanist Alphonse Kahn ist für uns heute in seinem mutigen und stets wachen Kampf gegen Intoleranz und Gewalt gegen Individuen ein Vorbild. Heute ist die Gesellschaft wieder in Gefahr, ihren Zusammenhalt zu verlieren, sich zu entsolidarisieren und sogar zu radikalisieren. Anlass sind zum Teil jedenfalls die Flüchtlingsströme. Sie wer- den zum Vorwand genommen, um Fremdenhass und Rassismus wiederzubeleben, die in manchen Kreisen der Gesellschaft nie ganz besiegt worden sind. – Alphonse Kahn soll uns geleiten im mutigen Eintreten für Toleranz, Empathie für die Schwachen der Gesellschaft und für das Recht auf Asyl.
Bettina Wehner-Wöbbeking, BG-Ruheständler_innen
Foto: hlz