Ob in den Ergebnissen der Europa- und Kommunalwahlen, in der Zunahme von Hate Speech und rechtextremer Gewalt oder der Kriminalisierung humanitärer Hilfe – der politische und gesellschaftliche Rechtsruck zeigt sich in verschiedenen Facetten und führt uns vor Augen, dass das Ausleben und Praktizieren der Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag und aller 16 Landesparlamente haben sich Grenzen des Sagbaren im öffentlichen Raum verschoben. Menschen- und demokratiefeindliche Positionen werden wieder salonfähig, Minderheiten und politisch Andersdenkende bedroht.
Dies hat Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, das parlamentarische System und ihre Repräsentant*innen sowie die politische Kultur. Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Gewerkschaften stehen zunehmend unter (Legitimations-)Druck. Die AfD agitiert gegen ein inklusives Bildungssystem sowie diskriminierungssensible Lehrpläne und stellt staatlich finanzierte Projekte zur Demokratieförderung in Frage. Pädagogische Fach- und Lehrkräfte, Wissenschaftler*innen, Kultur- und Medienschaffende, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen aus diversen sozialen Bewegungen werden angegriffen und diffamiert, wenn sie sich kritisch mit antidemokratischen Tendenzen der Partei auseinandersetzen und sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit engagieren.
Gleichzeitig erfordern gerade diese Entwicklungen klare Positionierungen und bewirken ein stärkeres Engagement für Demokratie, Menschenrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Ruf nach mehr politischer Bildung bzw. Demokratiebildung wird lauter und es entfalten sich vielfältige zivilgesellschaftliche Aktivitäten und Bündnisse gegen rechtspopulistische und völkisch-nationale Bewegungen sowie gegen die Spaltung der Gesellschaft.
Die GEW hat mit ihren Gewerkschaftstagbeschlüssen „Aktiv gegen Rechts“ und „AfD und GEW stehen sich diametral entgegen“ verdeutlicht, dass sie sich dem Rechtsruck und der Verbreitung reaktionärer und menschenfeindlicher Ideologien klar entgegenstellt. Als Bildungsgewerkschaft ermutigt sie ihre Mitglieder, sowohl im beruflichen Alltag als auch in Projekten oder Bündnissen, Haltung zu zeigen und sich aktiv und offen für Demokratie, Zivilcourage und die Gleichberechtigung aller Menschen einzusetzen. Leitlinien sind die allgemeinen Menschenrechte sowie der Berufsethos der Bildungsinternationale, der die Beschäftigten im Bildungswesen auffordert, alle Formen von Rassismus, Vorurteilen und Diskriminierung im Bildungsbereich zu bekämpfen.
Die bundesweite Fach- und Vernetzungstagung richtete sich an Kolleg*innen in der schulischen und außerschulischen Bildung, in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie an GEW-Aktive, die sich für die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Einstellungen sowie gegen Meinungsmache und Einschüchterungsversuche der Neuen Rechten (besser) wappnen wollen.
Nach der Begrüßung berichtete Mark Haarfeldt vom DGB-Bildungswerk Bund über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für Gewerkschaften, es folgte ein Impuls von Prof. Anja Besand, Professorin für Didaktik der politischen Bildung an der TU Dresden, zum Thema „Zwischen Haltung und Zurückhaltung. Grundlagen, Orientierungen und Stolpersteine in der politischen Bildungsarbeit“. Nach einer Diskussion zum Thema „Nur Mut!?“, moderiert von Anne Mehrer vom Bundesverband Mobile Beratung e.V. & Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V., schloss sich eine handlungsorientierte Phase zum Thema “Was tun, wenn sich Jugendliche rassistisch oder demokratiefeindlich äußern?“ an, in der über Erfahrungen aus dem Modellprojekt „Starke Lehrer – starke Schüler“ diskutiert wurde. Der Freitagabend schloss mit einem rassismuskritischen Stadtrundgang und einem informellen Austausch an der Hotelbar.
Am Samstag wurden in mehreren Workshops konkrete Teilbereiche beleuchtet, so zu den Themen „Für Demokratie Courage zeigen: Projekte zur demokratischen und diskriminierungskritischen Schulentwicklung“, „Haltungen und Handlungskompetenz stärken. Umgang mit antidemokratischen Äußerungen und diskriminierenden Verhaltensweisen im Kollegium“, „ZwischenWertschätzung und Positionierung: Umgang mit diskriminierenden bis zu rechtsextremen Einstellungen von Eltern“, „Zivilcourage digital: Umgang mit Hate Speech im Netz“, zudem gab es einen offenen Workshop mit kollegialer Beratung zu rechtlichen Fragen. An die Workshop-Phase schloss ein Markt der Möglichkeiten zum Austausch über die Workshopergebnisse und Handlungsstrategien an. Die Tagung endete mit einer Abschlussdiskussion mit Marlis Tepe, unserer Bundesvorsitzenden, Dr. Gabi Elverich (Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule / FU Berlin) und Dr. Axel Salheiser vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena.
Als Teilnehmer*innen aus Hamburg haben wir einiges auch für unsere konkrete Arbeit vor Ort mitgenommen und danken den Organisiator*innen für diese inhaltlich, organisatorisch, atmosphärisch und kulinarisch gelungene Tagung.
Unten folgen Statements der Hamburgischen Teilnehmenden. Ein weiterer Tagungsbericht findet sich unter https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/stark-gegen-rechts/
Fredrik Dehnerdt, stellv. Vorsitzender GEW Hamburg und weitere Teilnehmende der Tagung
Foto: Sebastian Willnow
"Diese Konferenz hat mir deutlich gemacht, wie sehr bundesweite Solidarität und Unterstützung im Kampf gegen den Kulturkampf von rechts vor allem in den ländlichen Regionen der ostdeutschen Bundesländer benötigt wird. Jeden Tag sich in die Auseinandersetzung mit rassistisch-reaktionären Positionen von Kolleg_innen, Eltern und Schüler_innen sich zu begeben, verdient einen großen Respekt und ist mit den vergleichsweise einfacheren politischen Umfeld in Hamburg kaum zu vergleichen!"
„Leider gibt es viel zu viele Personen, ebenso wie Presseerzeugnisse einschließlich der öffentlich-rechtlichen Medien, die nachlässig, fahrlässig und manchmal auch falsch mit den Versuchen der Rechten umgehen, (nicht nur sprachliche) Grenzen immer weiter nach rechts zu verschieben. Deswegen war die Tagung mit ihren vielfältigen Impulsen ebenso wichtig wie richtig.
Auffallend gut unter vielen guten Referentinnen und Referenten hat mir der Kollege Mark Haarfeldt vom DGB-Bildungswerk Bund gefallen, der mit seinen Erläuterungen über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für Gewerkschaften erfrischenden Klartext sprach und auch eigene Mängel nicht aussparte. Zur Analyse der gegenwärtigen Situation gehört neben der Auseinandersetzung mit und Demontage der rechten Ideologien eben auch die nüchterne Reflexion eigener Mängel und Defizite.
Die Podien am Freitag waren – wie so oft – viel zu lang und nahezu ausschließlich top down. Lediglich in einer Phase waren die Erfahrungen und Meinungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt. Dies änderte sich glücklicherweise am Sonnabend.
Wenngleich die Tagung vorrangig den Bildungsbereich adressierte, hat mir der Zusammenhang zwischen den rechten Ideologien und deren Gesellschaftsentwürfen mit denen des Neoliberalismus gefehlt. Der Vormarsch der rechten Populisten in den USA, Ungarn, England (Brexisten), Türkei etc. beruht auf einem eng geknüpften Netzwerk und Austausch von Strategien und Ideologiebausteinen. Die kommunikativen Umsetzungsversuche erfolgen insb. über die sogenannten Sozialen Netzwerke. Alle diese Maßnahmen verfolgen das Ziel, staatliche Handlungsmöglichkeiten insb. im Sozialbereich einzuschränken und nahezu sämtliche Felder staatlichen Handelns mit größtmöglichem Eigennutz zu privatisieren.
Nach der tollen Veranstaltung auf Kampnagel "Strategien gegen Rechts" mit unübersehbarer Unterstützung der GEW war diese „eigene“ GEW-Tagung ein weiterer wichtiger Baustein für die Stärkung der Gegenwehr gegen die gesellschaftliche Rechtsentwicklung. Diese Gegenwehr ist nicht nur aller Mühen wert - sie ist notwendig und erfordert Fortsetzungen!“
„Als Erzieher in der GBS habe ich einen etwas anderen Hintergrund als viele KollegInnen auf dieser Fachtagung, habe mich jedoch sehr gut aufgehoben gefühlt in dieser starken und wertschätzenden Gemeinschaft. Am Freitagabend nahm ich am postkolonialen und rassismuskritischen Stadtrundgang durch Leipzig teil (leipzig-postkolonial.de), wobei es trotz der Kälte, zu angeregten Gesprächen auf der Straße kam, die wir im Anschluss noch in einem wärmenden Pub fortsetzen konnten. Nach einer geruhsamen Nacht erwartete mich der Workshop “Zwischen Wertschätzung und Positionierung: Umgang mit diskriminierenden bis zu rechtsextremen Einstellungen von Eltern“, der von Eva Prausner, Projekt ElternStärken Beratung, Vernetzung, Fortbildung zum Thema Familie & Rechtsextremismus (Elternstaerken.de), geleitet wurde. Zusammen mit KollegInnen aus ganz Deutschland habe ich bisherige Erfahrungen, die vielfältiger waren, als ich es mir auszumalen vermochte, austauschen können und gemeinsam, erarbeiteten und fanden wir passende Strategien damit umzugehen. Für mich eine gelungene Fachtagung, mit vielen Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten und persönlich, ein Anreiz mich noch stärker einzubringen, damit die Demokratie nicht an der Wahlurne endet.“
(Dirk Schauff, Kunstglaser & Erzieher)
„Bericht zum Workshop: “Haltungen und Handlungskompetenz stärken. Umgang mit antidemokratischen Äußerungen und diskriminierenden Verhaltensweisen im Kollegium“
Workshop-Leitung: Lisa Bendiek, Kulturbüro Sachsen, Fachstelle Jugendhilfe
Was ist eigentlich pädagogisch und was ist gewerkschaftlich? – war eine der zentralen Eingangsfragen im Workshop, in dem sich eine Runde von 13 Leuten einfand. Es ging in diesem Workshop darum, sich auszutauschen, eigene und die Haltung anderer in Schulen zu hinterfragen und darum, ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten kennen zu lernen. Geleitet wurde er von einer sehr erfahrenen, engagierten und sich klar gegen rechts positionierenden Workshop-Leitung.
Nach einer Vorstellungsrunde sollten wir uns in Gruppen zusammentun, um Beispiele/ Zitate aus dem schulischen Alltag zu sammeln und darüber zu diskutieren. Hier wurde es z.T. sehr emotional, denn manche Bemerkungen aus dem Kollegium lassen einen wütend, sprachlos, geschockt oder unangenehm berührt zurück. Im anschließenden Plenum sammelten wir die Themen, die in allen Gruppen angesprochen worden waren: die sog. Kopftuchdebatte, Umgang mit und in Förderschulen, das Thema Impfungen und der Umgang mit Migrant*innen.
Daraufhin konnte man sich einer der Themenbereiche zuordnen, um gemeinsam eigenen Positionen zu demokratiefeindlichen, rassistischen oder rechtsgesinnten Äußerungen von Kolleg*innen und angemessene Umgangsweisen zu finden. Hierzu sollten wir maximal 3 Sätze aufschreiben und vervollständigen. Hier einige Beispielsätze aus dem Plenum:
- „Ich möchte nicht, daß du so über...sprichst, weil....
- „Ich finde Demokratie gut und wichtig, weil,...“
- „Ich finde es falsch, den Nationalsozialismus zu bagatellisieren, weil...“
- „Ich sehe das anders...“
- „Ich teile die Schlussfolgerung, sehe den Diskurs aber anders...“
- „Ich bin auch der Meinung,...aber...“
Ein Teilnehmer berichtete z.B. von einem Kollegen, der zu ihm sagte: (...) „ Es gab ja auch humanistische Nazis“ (...). Eine Antwort darauf könnte sein: „Dieser Aussage muss ich vehement widersprechen. Ich habe dazu eine völlig andere Meinung. Nazis waren per se menschenfeindlich und haben einzelnen und Menschengruppen nichts als Leid und Tod gebracht.“ Eine Teilnehmerin iranischer Herkunft berichtete von einer Bemerkung einer Kollegin, die den alltäglichen Rassismus zeigt, dem sie häufig ausgesetzt ist: „Die Ausländer müssen sich integrieren, aber du bist ja anders, du bist ja integriert.“ Was tun, wie reagieren ? Ignorieren ? Klare Position beziehen ? (oder z.B. erwidern: „ DIE Ausländerin gibt es nicht. „ oder „ Wir sind doch alle fast überall mal Ausländer“) oder geht man in die Diskussion, indem man z.B. Fragen stellt ? („ Was heißt denn für dich eigentlich Integration“ ?) Die Frage tauchte ob, ob man überhaupt mit klar rechtsgesinnten Personen oder Afdlern reden, diskutieren, ihnen eine Bühne bieten sollte....
Im Workshop gab es dazu eine Liste von Umgangsstrategien und Überlegungen. Sie sind hier als eine Ansammlung von Fragen aufgeführt, da immer auch persönliche, selbstreflexive Aspekte eine Rolle beim Umgang mit derartigen Äußerungen spielen:
Neben dem Ignorieren und dem sich positionieren kann man z.B. erst einmal eine Situationseinschätzung vornehmen: Was ist das Problem? Was ist passiert? Wer steht mir gegenüber? Welches Ziel verfolgt die Person? In welcher Beziehung stehe ich zu ihr? Welche Rolle habe ich inne? In welchem Raum befinde ich mich (privat? Raum für Lehrkräfte ? Schulbüro ? Klassenzimmer ?)
Was ist mein Ziel? Wie will ich vorgehe? Mein Gegenüber zum Schweigen bringen? Meine Würde gegen Beleidigungen verteidigen? Verständnis für meine Perspektive bekommen? Diskriminierende Strukturen verändern? Auf Augenhöhe über ein Thema sprechen? Mein Gegenüber von meiner Meinung überzeugen? Diskriminierungen beenden, kritisieren, aufarbeiten? Anwesende/ andere Betroffene vor Verletzungen schützen? Position für diskriminierte Person beziehen?
Zum Ende des Workshops kamen wir nochmals auf die zu Beginn aufgeworfene Frage hinsichtlich pädagogischer versus gewerkschaftlicher Aspekte und Inhalte bei diesem Thema. Aus Zeitgründen konnte dieser Punkt leider nicht allzu ausführlich besprochen werden.
Als eine von vielen gewerkschaftlichen Handlungsempfehlungen wurden erwähnt:
- Bedeutsamkeit von Weiterbildung der SchulPR’s zu diesem Thema
- GEW- Vertauenspersonen in den Schulen: Installation, Bedeutung, Stärkungund Ausweitung z.B. auf Kitas (wie in der Bundessatzung der GEW formuliert)
- Einsatz für den Abbau von Förderschulen
- Selbst PR werden
- Tagung aller Fachgruppen durchführen
- Als PR sensibilisiert und ansprechbar sein
- Tagungen wie diese öfter durchführen
- Als Landesverband betroffene Kolleg*innen aktiv unterstützen
Pädagogische Handlungsempfehlungen:
- Diskriminierte Schüler*nnen und Schüler*nnengruppen stärken, für sie einstehen
- Kontinuierliche Auseinandersetzung/ Beschäftigung mit Demokratiebildung
- SV’s einbinden in die Auseinandersetzung mit Rassismus etc.
- Berufsethos installieren, etablieren, stärken
- Alle Betroffenen einbeziehen
- Arbeitsgruppen gründen/ Projektwochen durchführen“
(Claudia Wystrach, BS 30, Mitglied im Gesamtpersonalrat)
Von Integrationskindern, Türken und Bio-Deutschen
Workshop 3 „Zwischen Wertschätzung und Positionierung: Umgang mit diskriminierenden bis zu rechtsextremen Einstellungen von Eltern“ mit Eva Prausner, Projekt ElternStärken, pad gGmbH Berlin
Start mit Evas Frage in die Vorstellungsrunde von 11 Frauen und vier Männern: Was sind unsere Themen?
Ausschnitte unserer Sammlung von Erfahrungen aus allen Bildungsbereichen in sieben Bundesländern (Berlin, Hamburg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen):
- Was tun, wenn alltagsrassistische Bemerkungen wie „Integrationskinder“ meinen Unterricht in der Grundschule stören?
- Wie „ticken“ Eltern mit unterschiedlichem Migrationshintergrund?
- Was ist rechtsextrem, was nicht?
- Wie gehe ich mit dem Widerstand von Eltern um gegen die Einbeziehung außerschulischer Angebote zu Rechtsextremismus in Schul-Projekttagen?
- Wie verhalte ich mich, wenn ich feststelle, dass rechtslastige bis rechtsextreme Einstellungen bei Eltern zunehmen (Sympathiesanten-Effekt)?
- Warum nehmen Eltern meine Bildungsarbeit als Erzieher mit sämtlichen Randgruppen in der Nachmittagsbetreuung in Kooperation mit dem Bürgerhaus nicht ernst?
- Was bedeutet es, wenn ich zum Schluss kein von der Herkunft deutsches Kind mehr in meiner Klasse habe (weil deren Eltern ihre Kinder umschulten)?
- Ich bin unsicher. Ich bin 50 Jahre Pazifist und frage mich jetzt zunehmend: wo ist meine Identität? Was ist „Heimat“ an meiner Schule?
- Wie gehe ich damit um, dass Eltern andere Eltern in what´s-app-Gruppen „aufputschen“, z. B. gegen Migrationskinder, gegen die Positionierung von Lehrkräften?
- Wie kann ich in der Lehrer*innen-Ausbildung überzeugend vermitteln, dass ein „interreligiöser Ansatz“ in den Schulen gelebt werden kann? (Weihnachtsfeier, Zuckerfest). Ich habe den Eindruck, dies fördert die in dieser Hinsicht ohnehin schon „schlechte Grundstimmung“ bei vielen Eltern und Kolleg*innen gegen „Fremdes“.
- Wie reagiere ich auf „verdeckte“, „halbrechte“ Einstellungen von Eltern und Lehrkräften in meiner Dorfschule?
Im Anschluss schlägt uns Eva fünf Praxisbeispiele zur Auswahl vor, die unsere Fragestellungen berühren. Nach kurzer abwägender Diskussion entscheiden wir uns dafür, nur zwei Fälle parallel in Kleingruppen zu bearbeiten und nach Lösungen zu suchen.
Gruppe 1: Was ist der Rahmen für Eltern-what´s-app-Gruppen?
Gruppe 2: Eine Mutter sagt zur Lehrkraft: „Sie benachteiligen mein Kind, weil es aus der Türkei kommt“.
Im Blick auf die Arbeit in beiden Gruppen beschäftigen wir uns vorab mit Handlungsmöglichkeiten, (sozial)pädagogischen Grundlagen, Eltern- und Kinderrechten.
So ist es für das Handeln u. a. wichtig, nachzufragen, „Ich-Botschaften zu senden“, Grenzen zu ziehen, aber die Beziehung zu erhalten.
Die (sozial)pädagogischen Grundlagen müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass wir es mit einem „differenzierungsbezogenen Arbeitsbereich“ zu tun haben, der eine Orientierung am Grundgesetz und der Kinderrechtskonvention erforderlich macht. Es gibt keine General-Lösung. Die Grenze für unser Verhalten und Handeln: keine Normalisierung und Verharmlosung von rechtsextremen Äußerungen oder entsprechender Symbolik dulden. Wichtig – auch im Gegenüber zu problematischen Eltern – ein Kind darf nicht „funktionalisiert“ werden (= Bezug zur Kinderrechtskonvention).
Nach engagierter Diskussion in beiden Gruppen kommen wir zum Bericht zurück ins Plenum.
Gruppe 1 (Essentials)
Als Lehrkraft: nicht selbst in what´s-app-Gruppen beteiligen; sie aber im Auge behalten. Elternbeirat als „Rückkoppelung“ kontaktieren. Realisieren: informelle Gruppen zum Austausch über kritische Situationen und Personen existieren auch ohne what´s-app-Gruppen, z. B. im Einkaufszentrum, über Telefonketten. Gruppen haben auch die Funktion, „Dampf abzulassen“. Wichtig für alle Ebenen wie KiTas, Grundschule, weiterführende Schulen, Berufsschule, Hochschule, außerschulischen Bereich: der präventive Umgang mit dem Thema Rechtspopulismus/Rechtsextremismus muss vermittelt, eingeübt und praktiziert werden.
Gruppe 2 (Essentials)
Es geht hier nur um einen Aspekt des Gesamtthemenfeldes von Diskriminierung, Unterscheidung, Abwertung, Vorurteil, Machtstruktur. Das Gespräch muss gesucht werden. Die Situation ist sorgfältig zu analysieren, um die oftmals unterschiedlichen Perspektiven von Eltern und (sozial)pädagogischen Fachkräften zu beachten und für Transparenz in Entscheidungsprozessen zu sorgen. Eigene Vorurteile einbeziehen bzw. bearbeiten. Abwertende Pauschalisierungen vermeiden wie „die Türken“, „die Bio-Deutschen“, „die Flüchtlinge“. Bewusstsein über die „Dominanzkultur“ entwickeln, aber verdeutlichen bzw. selbst „leben“: Verschiedenheit ist real/“normal“ und erwünscht. Es geht darum, eine Schnittmenge zu finden, auf die sich alle einigen können. Ganz wichtig: im Umgang mit rechtsextremen Tendenzen nicht allein agieren, sondern mit anderen solidarisieren und professionelle Hilfe einbeziehen. Realisieren: im schulischen und insbesondere im außerschulischen Bereich gibt es eine Vielzahl guter und hilfreicher Projekte. Abschließend notieren wir jede/r auf Kärtchen für die Präsentation auf dem folgenden „Markt der Möglichkeiten“: was ist für mich das Wichtigste aus unserem workshop? Mein Beitrag entsprach dem hier angefügten kurzgefassten Fazit: Es war ein lebendiger, informativer, offener Vormittag, an dem ich ein fundiertes und praxiserprobtes Projekt zur Beratung, Vernetzung und Fortbildung zum Thema Familie & Rechtsextremismus kennen gelernt habe. Wieder einmal hat sich für mich bestätigt: Neues und Spannendes entsteht nach wie vor zumeist im außerschulischen Bildungsbereich. Auf der Internetseite www.elternstaerken.de finden sich praxisnahe Materialhinweise.“
(Heidemarie Thiele, AfGG)