Der G20-Gipfel ist vorbei, doch er beschäftigt nicht nur die Hamburger Politik, sondern auch Anwohner*innen und Aktivist*innen, Medienschaffende, Bürgerrechtlicher*innen und diejenigen, die für eine andere Politik und Gesellschaft eintreten - bundesweit. Gesprächsbedarf besteht dabei sicher nicht nur über die “Ergebnisse“ des Gipfels selber, sondern gerade auch über das, was sich in Hamburg in den Tagen des Gipfels, in den Wochen davor und besonders auch medial und politisch danach abgespielt hat. Denn hat Hamburg hier nicht gerade einen polizeilichen und politischen Ausnahmezustand sondergleichen erlebt? Und haben wir nicht in den Folgetagen eine Art medialen Ausnahmezustand sehen können, in dem linker Protest pauschal diskreditiert wurde und gegen linke Projekte gehetzt wird? Der rechte Ruf nach Ordnung und Rechtlosigkeit, das “Feindbild Demonstrant“ - hat hier eine erschreckende Dynamik gezeigt.
Und, fast täglich werden neue Infos über den Einsatz der Polizei, die Vertuschungen und Rechtsbrüche bekannt. Nach den ersten Verurteilungen wird auch der breiteren Öffentlichkeit deutlich, dass hier eine politische Justiz zutage tritt, die mit einer “Sonderkommission Schwarzer Block“ ermächtigt wird. Gleichzeitig soll Politik und Polizei ja nicht zur Verantwortung gezogen werden, denn “Polizeigewalt hat es nicht gegeben“ (Scholz). Deswegen soll es auch keinen “Parlamentarischen Untersuchungsausschuss“, sondern nur eine weichgespülte Kommission geben, die von der rot-grünen Regierung bestimmt wird (und keinerlei Rechte hat).
Die juristische und politische Nachbereitung des Hamburger Ausnahmezustands wird uns noch lange beschäftigen. Und gerade die politische Nachbereitung, das Druckmachen auf Verantwortliche, das Begleiten der Prozesse genauso wie die Auseinandersetzung über die Proteste und die Erfolge, das Alptraumartige genauso wie das Mutmachende, Solidarität und Spaltungen, sollten wir nicht “den Anderen“ überlassen. Dafür steht viel zu viel auf dem Spiel.
Deswegen wollen wir mit diesem Treffen mit einer ersten gemeinsamen öffentlichen Aufarbeitung auch über Hamburg hinaus beginnen. Wir wollen damit auch den Prozess einer “Aufarbeitung von unten“ unterstützen, den diverse Initiativen bereits beginnen – ob in Form “unabhängiger Untersuchungsausschüsse“ , mit Stadtteilversammlungen oder Publikationsprojekten.
Am 15.9. fragen wir uns also: Was geschah eigentlich in der Protestwoche? Viele von uns haben auf der Straße sowohl beängstigende als auch großartige Erfahrungen gemacht. Wir haben einen Ausnahmezustand erlebt (und die Hamburger*innen dies über eine lange Zeit!), massive Grundrechtseingriffe und den größten Polizeieinsatz der Hamburger Geschichte. Wir wollen über die rechtswidrigen Angriffe auf die Camps sprechen, die Militarisierung der Stadt, über die Polizeigewalt, die Viellen widerfahren ist, sowie über die bereits gefällten Urteile mit unverhältnismäßig hohem Strafmaß. Reden wollen wir aber nicht nur über die beängstigenden Erfahrungen.
Denn erlebt haben wir auch so viel Gutes: die Solidarität untereinander als auch die der Bewohner*innen, das Zusammenkommen in großen und kleinen, spontanen und vorbereiten Demos, in bunten Aktionen beim Tanzen, bei Performances , im zivilen Ungehorsam und in widerständigen Aktionen. Mut macht die Erfahrung breiter und immer wieder neu entstandener Solidari tät über die ganze Woche hinweg. Hamburg war in Bewegung – gegen die Angst und für eine andere Welt.
Gemeinsam mit der bundesweiten G20 Plattform, den darin aktiven Gruppen und verschiedenen Hamburger Initiativen und Organisationen laden wir euch deswegen am 15. September zu einem presseöffentlichen, verlängerten Nachmittag ein, an dem Augenzeug*innen und Betroffene, Anwohner*innen und internationale Gäste, Aktivist*innen und politische Kommentator*innen entlang der Frage der Unterkunft, der Polizeigewalt sowie der Solidarität und des Protestes ihre Erfahrungen vortragen.
Wir wollen euch mit diesem Treffen einen Raum und eine Gelegenheit bieten, andere Erzählungen und Wahrheiten des G20- Protests zusammenzutragen und aufzuarbeiten. Dabei wissen wir, es ist nur ein erster Schritt. Deswegen sollen am Ende offene Fragen und Aufgaben zusammengetragen werden, Initiativen für die weitere Arbeit vorgestellt und Schlussfolgerungen gezogen werden. Wir hoffen darauf, dass dies nur ein Auftakt für die notwendige Aufarbeitung gegen die organisierte Verantwortungslosigkeit der Politik des Hamburger Senats ist. Vielleicht steht am Ende des 15.9. wirklich der Start eines Prozesses für einen ernsthaften “Unabhängigen Untersuchungsausschuss“.
Die GEW unterstützt die Veranstaltung. Der Flyer findet sich im Anhang.
Ablauf
16 Uhr Begrüßung und Einleitung
Blaue Zonen, Campverhinderungen, diskursive Strategien der Angstmache und Polizeigewalt. Die G20 Proteste im Kontext von Ausnahmezustand, „Summit Policing“, Politik und Solidarität.
16.30 Uhr
Nicht schlafen, nicht duschen, nicht essen – dasVorgehen gegen die Camps Erfahrungsberichte von Zeug*innen, (bürger-)rechtliche und politische Einschätzungen
18 Uhr
“Polizeigewalt hat es nicht gegeben“ (Scholz) Die Darstellung der offziellen Politik kontrastiert mit den Erfahrungen Betroffener und wirft (bürger-) rechtliche und politische Fragen auf, die juristisch und politisch aufgeklärt werden müssen.
20 Uhr Solidarität und Spaltung
Die Proteste gegen den G20 Gipfel im Kontext einer „von oben“ betrieben „Politik der Angst“. Mit Stimmen der Protestorganisatoren*innen und kritischen Anwohner*innen.
Die Wahrheiten von Hamburg - Schlussfolgerungen, Aufgaben, Perspektiven Solidarität und Bündnisarbeit als praktische Antwort auf die „Politik der Spaltungen und der Angst“.
Was folgt auf den größten deutschen Gipfelprotest des Jahrzehnts?
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G20 das war der Gipfel | 165.8 KB |