Die GEW erwartet von den Verantwortlichen in Bund und Ländern die politische und materielle Rehabilitierung der Menschen, die der am 28. Januar 1972 von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und den Länder-Regierungschefs beschlossene „Radikalenerlass“ getroffen hat. Zudem sei eine nachhaltige, wissenschaftlich fundierte Aufklärungsarbeit über diese Zeit und die Folgen des so genannten „Extremistenbeschlusses“ dringend notwendig. „Der ‚Radikalenerlass‘ hat individuelle Grundrechte der Betroffenen verletzt. Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst, darunter zahlreiche linke Lehrkräfte, sind teils kollektiv diffamiert und verfolgt worden. So wurden vielen Menschen Berufs- und Lebensperspektiven genommen und das Vertrauen in die Demokratie sowie in den Rechtsstaat massiv beschädigt“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern heute in Frankfurt am Main mit Blick auf den 50. Jahrestag des „Radikalenerlasses“ am Freitag. Deshalb unterstütze die Bildungsgewerkschaft die Anliegen der Betroffenen, die Wiedergutmachung fordern. „Die Betroffenen erwarten für das Unrecht, das sie erleben mussten, zu Recht eine Entschuldigung und eine finanzielle Entschädigung.“
Aktuelle Debatten zeigten, dass die Auseinandersetzung mit diesem Teil verdrängter Geschichte und Gegenwart für politische Bildung, zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratieentwicklung eine sehr wichtige Rolle spielt. Deshalb warnte Finnern ausdrücklich davor, Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen und Einstellungen im öffentlichen Dienst von politischen Gesinnungsprüfungen durch Sicherheitsbehörden abhängig zu machen. „Das ist nicht verhältnismäßig. Menschen, die sich etwa in demokratischen Parteien, Vereinen oder (außer)schulischen Projekten engagieren, können dann ganz schnell unter Generalverdacht geraten - obwohl sie nichts anderes machen, als Haltung gegenüber menschen- und demokratiefeindlichen Ideologien sowie Angriffen aus dem rechtsextremen Spektrum zu zeigen. Das darf nicht passieren“, unterstrich die GEW-Vorsitzende. So werde ein „Klima des Misstrauens“ geschürt, das „menschenrechtsorientierte Bildungsarbeit und antifaschistisches Engagement unterminiert“.
Zur Lage in Hamburg
Die GEW Hamburg begleitet die Aufarbeitung der Berufsverbotepraxis durch die Hamburgische Bürgerschaft kritisch-konstruktiv und hat die die Aufarbeitung der eigenen unrühmlichen Praxis der Unvereinbarkeitsbeschlüsse in den letzten Jahren wissenschaftich und auch politisch angestoßen.
Foto: Konferenz gegen die Berufsverbote mit internationalen Gästen im Gustav-Radbruch-Haus, Hamburg, 3. September 1976 / © Michael Meyborg