Die Attraktivität des Lehrberufs ist alarmierend gering. Eine aktuelle Studie der Universität Göttingen zeigt: Weniger als die Hälfte der Hamburger Lehrkräfte würde den Beruf erneut ergreifen, nur 18 % empfehlen ihn weiter. Hauptgründe sind hohe Arbeitsbelastung, entgrenzte Arbeitszeiten und erhebliche gesundheitliche Risiken. Doch die Studie zeigt auch: Verbesserungen sind möglich – und dringend notwendig.
Überlastung und mangelnde Wertschätzung führen zur Krise
Die Untersuchung macht deutlich: Hohe Arbeitsintensität mit Arbeitszeiten am Abend, an Wochenenden und Feiertagen führen unter den aktuellen Bedingungen zu einer Gratifikationskrise – dem Empfinden, dass Einsatz und Anerkennung in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Ein Viertel der Lehrkräfte zeigt bereits Anzeichen einer depressiven Gefährdung. 87 % der Lehrkräfte haben erhebliche Probleme mit der Work-Life-Balance. Zudem sind häufige Konflikte um die Care-Arbeit in Familien zu konstatieren.
Arbeitspolitische Maßnahmen können helfen
Doch die Lehrkräfte sehen auch konkrete Ansätze zur Verbesserung der Situation. „Uns hat überrascht wie hoch die Lehrkräfte das Entlastungspotenzial der verschiedenen Maßnahmen eingeschätzt haben, da ist viel Hoffnung dabei“, so Dr. Frank Mußmann, Studienleiter der Arbeitszeit- und Belastungsstudie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen. Folgende Maßnahmen könnten Entlastung bringen und den Beruf wieder aufwerten:
- Multi-Professionelle Teams stärken: Die verstärkte Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter*innen, Erzieherinnen und Schulassistenzen könnte Lehrkräfte entlasten.
- Abgeben von Aufgaben an Schulassistenz-, Schulverwaltungsassistenz-Kräfte oder IT-Fachkräfte könnte Wochenarbeitszeit substanziell verkürzen und helfen, Mehrarbeit abzubauen.
- Schulorganisatorische Maßnahmen wie das Unterrichten in parallelen Klassen oder Korrekturtage für Lehrkräfte bei Prüfungsphasen sowie eine intensivere Zusammenarbeit unter Lehrkräften.
- Klassen verkleinern: Kleinere Klassen verbessern nicht nur die Unterrichtsqualität, sondern reduzieren auch die Belastung der Lehrkräfte.
- Verbindliche Arbeitszeiterfassung: Lehrkräfte würden eine pragmatische Form der dauerhaften Arbeitszeiterfassung begrüßen, sie könnte helfen Überstunden sichtbar zu machen und zu begrenzen.
- Digitale Unterstützung nutzen: Durch Ausbau und gezielten Einsatz digitaler Plattformen könnten Vorbereitungszeiten reduziert und Kooperationsmöglichkeiten gestärkt werden.
Die Hamburger Schulpolitik muss handeln!
„Die Ergebnisse zeigen klar: Die geringe Attraktivität des Lehrberufs geht auf extrem belastende Arbeitsbedingungen und strukturelle Probleme zurück, die durch die richtigen Maßnahmen und eine transparente Arbeitszeitregelung gelöst werden könnten. Die Hamburger Schulpolitik muss handeln und die Ergebnisse der Studie und somit die Kolleg*innen vor Ort ernst nehmen. Das Thema Personalgesundheit ist zurzeit nur ein einzelnes Wort im Koalitionsvertrag. Es ist aber immerhin ein Bekenntnis zur Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten, dem nun Taten folgen müssen. Denn: Extrem belastende Arbeitsbedingungen machen keine Werbung für den Beruf einer Lehrkraft!“, so Yvonne Heimbüchel, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hamburg.
Die Arbeitspapiere und die Präsentation finden sich im Anhang.
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Hintergrund:
Das Projekt Arbeitszeit und Arbeitsbelastung Hamburger Lehrkräfte 2024 wird im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung und mit Unterstützung der Bildungsgewerkschaft GEW Hamburg durchgeführt. Untersucht wird die Arbeitssituation von Lehrkräften und anderen Schulbeschäftigten in Hamburg vor dem Hintergrund der Umsetzung des digitalen Lehrens und Lernens in der Schule.
Die hier präsentierten Ergebnisse basieren auf einer Onlinebefragung von 1.090 Hamburger Lehrkräften. Der erste Teil der Umfrage wurde im April 2024 durchgeführt, an ihr nahmen 925 Lehrkräfte teil. Sie repräsentieren 7 % der Lehrkräfte an Stadtteilschulen und 12 % der Lehrkräfte an Gymnasien. Im August 2024 folgte der zweite Teil der Umfrage, an der 841 Lehrkräfte teilnahmen. An beiden Umfragen nahmen 676 Lehrkräfte teil.
Bild: GEW Hamburg